: Libanesische Familie bleibt getrennt
Niedersächsischer Innenminister verhindert Bleiberecht für Familienvater Ahmed Siala aus Hildesheim. Die Mutter wurde vor anderthalb Jahren in die Türkei abgeschoben. Flüchtlingshelfer sorgen sich um ihre psychische Verfassung
„Eine 20 Quadratmeter große Hütte in einem armen Vorort von Izmir, ein Stückchen Teppich, auf dem die Kinder spielen können, Matratze, Ofen und Nasszelle.“ So beschreibt Gisela Penteker vom Vorstand des Flüchtlingsrates Niedersachsen die Wohnung von Gazale Salame. Vor anderthalb Jahren wurde die junge Frau aus Hildesheim in die Türkei abgeschoben und von ihrem libanesischen Mann, Ahmed Siala, und ihren beiden älteren Töchtern getrennt. Die Behörden hatten der damals schwangeren Gazale eine türkische Abstammung attestiert. Sie selbst sieht sich jedoch als Libanesin.
Heute schlägt sich Gazale mit ihren ein und drei Jahre alten Kindern nur Dank der Unterstützung aus Deutschland durch. „Alleine als Frau ist sie in der Türkei ein Niemand“, so Penteker. Die Ärztin hält Gazale, die seit ihrem sechsten Lebensjahr in Deutschland lebte, für selbstmordgefährdet. „Sie ist traumatisiert.“ Der Ausgang des Abschiebeverfahrens gegen ihren Mann Ahmed Siala habe ihren Zustand noch verschlechtert.
Zunächst hatte noch alles gut ausgesehen. Das Verwaltungsgericht Hannover hob die Abschiebungsentscheidung gegen Ahmed auf. Die zuständige Landrätin Ingrid Baule verzichtete darauf, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Damit wäre der Weg für Ahmeds Aufenthaltsgenehmigung frei gewesen. Mit dieser hätte der Familienvater einen Job annehmen, Gazale rechtmäßig heiraten und nach Deutschland zurückholen können. Doch das niedersächsische Innenministerium durchkreuzte seinen Plan.
„Wir wollten hier eine Entscheidung zum Bleiberecht vermeiden, auf die sich hinterher alle anderen berufen können“, erklärt Sprecher Klaus Engemann das Vorgehen von Innenminister Uwe Schünemann. „Die Familie Siala hat hier rund 120 Mitglieder, die alle von der Sozialhilfe leben. Ahmed Siala hat seit 1997 bereits 110.000 Euro Sozialhilfe empfangen.“
Schünemann wies die Landrätin Baule an, Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts einzulegen. Eine Lösung für die Familie Siala/Samale rückt damit wieder in weite Ferne.
Ingrid Baule zeigt sich von der Entwicklung betroffen. „Ich wollte die übliche Rechtsfolge in diesem Fall aus humanitären Gründen durchbrechen“, sagt sie der taz. „Die Trennung ist für Mutter und Kinder schlecht. Ich hatte viele schlaflose Nächte deswegen.“
Baule muss sich jedoch Schünemanns Weisung fügen, die Entscheidung über das Bleiberecht Sialas geht vors Oberverwaltungsgericht. „Das kann zwei Jahre dauern, in denen Gazale allein in Izmir sitzt“, fürchtet Gisela Penteker. Ahmed traut sich nicht, Gazale zu besuchen, solange sein Aufenthaltsstatus in Deutschland unsicher ist.
Eine Zukunft in der Türkei sieht Penteker für die libanesisch-stämmige Familie nicht. Die Flüchtlingshelferin hat inzwischen psychologische Betreuung für Gazale in Izmir finden können. Sonst fällt Penteker nur noch eine Möglichkeit ein: „Vielleicht können wir durch ein Psychiater-Gutachten vor Gericht eine Rückkehrerlaubnis erlangen.“ Silke Bigalke