Solare Prozesswärme für Industrie

Auch Gewerbebetriebe nutzen zunehmend Solarwärme. Wenn man in 20 Jahren nur zehn Prozent der Prozesswärme bis 200 Grad Celsius mit der Sonne decken will, muss man jährlich mindestens 1,4 Millionen Quadratmeter an Kollektoren zubauen

VON BERNWARD JANZING

Von einem „Nachfrageboom bei Solarwärmeanlagen“ berichtet der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW): Mit rund einer Million Quadratmetern wurden 2005 in Deutschland Solarkollektoren installiert wie nie zuvor.

Da die Preise fossiler Energien auch künftig auf hohem Niveau verharren dürften, stellt sich die Branche der Solarthermie auch für die kommenden Jahre auf gute Geschäfte ein. Zumal die Kollektorbauer ihre Kunden nicht mehr nur im Wohnungsbau finden, wo die Nutzung von Solarwärme zunehmend etabliert ist, sondern auch immer stärker im Gewerbesektor.

Die Wissenschaftler Werner Weiss von der Arbeitsgemeinschaft AEE Intec aus Gleisdorf in Österreich und sein deutscher Kollege Matthias Rommel vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) haben die entsprechenden Daten zusammengetragen. Sie dokumentierten mehr als 60 Anlagen im Industrie- und Gewerbebereich weltweit, deren installierte Leistung insgesamt 42 Megawatt erreicht, entsprechend einer Kollektorfläche von 60.000 Quadratmetern.

Im einfachsten Fall wärmen die Unternehmen ihre Hallen mit Solarenergie. Prozesswärme wird bisher im Wesentlichen in Anlagen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, in der Textil- und Chemieindustrie sowie bei einfachen Waschprozessen (wie etwa in Autowaschanlagen) genutzt. Eine solche Anlage gibt es zum Beispiel bei der Firma SunWash in Köflach westlich von Graz. Sie benötigt Wasser von 60 Grad, das gut per Sonnenkraft bereitgestellt werden kann. Ein anderer Unternehmer, der bereits den Schritt zur Solarwärme gewagt hat, ist Jörg Schiffer, Chef des gleichnamigen Galvanik-Betriebes im nordrhein-westfälischen Menden. „Wir haben hier die größte Solarthermieanlage im Land“, sagt der Unternehmer. Sie besteht aus 518 Vakuumröhren, die zusammen eine Fläche von 100 Quadratmetern einnehmen. Die Kollektoren liefern einen Teil der Wärme, die für die Galvanikbäder benötigt wird, in denen Metall- und Kunststoffteile vernickelt, vergoldet, verchromt, verzinkt oder verzinnt werden. Einige Bäder benötigen 60 Grad, andere mehr als 80 Grad. Überwiegend wird solare Prozesswärme bislang dort genutzt, wo Temperaturen zwischen 30 und 90 Grad ausreichen. Denn diese Werte sind mit herkömmlichen Flachkollektoren mit einem guten Wirkungsgrad erzielbar. Doch künftig soll sich auch im mittleren Temperaturbereich von 80 bis 250 Grad solare Wärme etablieren.

Damit sich Forschung und Entwicklung nicht an der Vielzahl der Anwendungsmöglichkeiten verzetteln, sieht Klaus Vajen von der Universität Kassel die vordringlichste Aufgabe darin, erst einmal das Potenzial im Temperaturbereich unter 100 Grad auszuschöpfen: „Dafür haben wir die Komponenten, und müssen sie nur nach dem Baukastenprinzip zusammenfügen.“ Um voranzukommen, müsse man nun „Branchenlösungen schaffen“. Andere Forscher halten aber auch die parallel notwendige Entwicklung im höheren Temperatursegment um 200 Grad für wichtig. Denn dort sind konzentrierende Systeme notwendig, womit auch die Kollektortechnik noch gefordert ist. Zwar hat man aus der Entwicklung solarthermischer Kraftwerke bereits Erfahrungen mit ähnlichen Systemen –etwa Parabolrinnen – doch diese sind nicht einfach zur Gewinnung industrieller Wärme einsetzbar. So hat der „EuroTrough“, der Klassiker unter den Parabolrinnenkraftwerken, eine Breite von fast sechs Metern. „Das ist für den Einsatz auf Firmendächern natürlich nicht praktikabel“, sagt ISE-Wissenschaftler Rommel, „die Konzentratoren müssen kleiner werden.“

Daran arbeitet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln, das mit dem Einsatz von Parabolrinnen für solarthermische Kraftwerke viel Erfahrung hat. Zusammen mit der Aachener Firma Solitem hat das DLR bereits eine nur einen Meter breite Parabolrinne als Prototyp entwickelt. Eine etwas größere Anlage von fünf Meter Länge und 1,80 Meter Breite hat die Firma bereits in einem Hotel an der türkischen Ägäisküste zur solaren Klimatisierung und Dampferzeugung installiert.

Unterdessen wird aber auch an solarversorgten Hochtemperaturprojekten längst geforscht. Das DLR experimentiert seit zwei Jahren mit einem 20-Kilowatt-Solarofen, der bei etwa 800 Grad Aluschrott aufschmilzt – mit durchaus akzeptablem Erfolg.

Klaus Hennecke, Wissenschaftler am DLR, sieht den Markt der solaren Prozesswärme heute dort, wo die Flachkollektoren vor 20 bis 30 Jahren standen. Gleichwohl sei das Marktpotenzial gigantisch: „Wenn man in 20 Jahren zehn Prozent der Prozesswärme zwischen 100 und 200 Grad mit der Sonne decken will, muss man jährlich 1,4 Millionen Quadratmeter an Kollektoren zubauen“ – mehr als heute auf Wohnhäusern installiert wird.