Jung spricht von „Kampfeinsatz“ in Nahost

Verteidigungsminister: Bundesmarine kann Zugang zu Schmuggelschiffen vor der libanesischen Küste auch erzwingen. Einsatz von 1.200 Soldaten im Gespräch. Von deutschen Bodentruppen redet inzwischen keiner mehr

BERLIN rtr/dpa ■ Die Bundesregierung stimmt die Bürger auf einen schweren und riskanten Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der UN-Libanon-Truppe ein. Verteidigungsminister Franz Josef Jung sagte am Wochenende, die angebotene Absicherung der libanesischen Küste durch die Bundesmarine könne als Kampfeinsatz bezeichnet werden. Vizekanzler Franz Müntefering betonte, es handele sich um einen „wahrscheinlich zentralen Einsatz“, der gefährlich sei. „Wir müssen klipp und klar sagen, dass das sehr ernst werden kann.“

Nach einem Bericht des Spiegels ist die Regierung bereit, mehr als 1.200 Soldaten zu entsenden. Außenamtssprecher Martin Jäger wollte sich gestern zu Zahlen nicht äußern und verwies darauf, dass über das genaue Mandat und die Einsatzregeln noch nicht entschieden sei. Die Opposition kritisierte den geplanten Nahosteinsatz der Bundeswehr scharf, über den Außenminister Frank-Walter Steinmeier am heutigen Montag auch mit seiner israelischen Kollegin Zipi Liwni beraten will.

Mit den Seekontrollen soll Waffenschmuggel für die libanesische Hisbollah-Miliz unterbunden werden. Jung sagte, Deutschland werde eine dominante Rolle dabei übernehmen. Man könne von einem Kampfeinsatz der Bundeswehr sprechen, da die deutschen Soldaten auch gegen den Willen eines Kapitäns an Bord eines mutmaßlichen Schmuggelschiffes gehen würden. Vorgesehen sei eine Begrenzung des Einsatzes bis zum 31. August 2007. Eine Verlängerung schloss er nicht aus.

Der FDP-Außenexperte Werner Hoyer sagte nach einer Unterrichtung durch die Bundesregierung vom vergangenen Freitag, Deutschland werde bei dem Marineeinsatz mit hoher Wahrscheinlichkeit die Führungsrolle übernehmen. Dagegen sei der Einsatz von deutschen Bodentruppen offenbar vom Tisch. Das gelte auch für Pioniere. Erwägenswert sei allerdings die Idee, Pioniermaterial zum Bau von Brücken zu liefern, das dann von Jordanien im Libanon verbaut würde. Offen sei, ob sich Deutschland an der Luftaufklärung mit Tornado-Flugzeugen oder Drohnen beteiligen werde. Er gehe jedoch eher nicht davon aus.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verwahrte sich unterdessen gegen einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, wonach bei der Rückholaktion für 6.200 deutsche Staatsbürger auch Hisbollah-Mitglieder nach Deutschland eingesickert sein sollen. Dafür gebe es „keine Anhaltspunkte“, sagte Schäuble. Sofern es sich um deutsche Staatsbürger handele, habe man die Kriegsflüchtlinge auch „überhaupt nicht an der Einreise hindern“ können.