: Grausames Grußwort sorgt für Eklat
Stellvertreter des Kulturstaatsministers eröffnet Weimarer Kunstfest mit einer Rede über das Leid deutscher Vertriebener – bis das Publikum ihn zum Abbruch zwingt. Eigentlich sollte der Auftakt dem Gedenken an das KZ Buchenwald gewidmet sein
AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH
Der Stellvertreter des Staatsministers für Kultur, Hermann Schäfer, hat beim Auftakt zum Weimarer Kunstfest am Freitagabend für einen Eklat gesorgt. Schäfer sprach vor dem Eröffnungskonzert, das traditionell dem „Gedächtnis Buchenwalds“ gewidmet ist, ein Grußwort. Darin wandte er sich lange jedoch ausschließlich den Leiden und der Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg zu. Von „schwarzen und weißen Linien der Geschichte“ war die Rede, nicht jedoch vom nahegelegenen ehemaligen Konzentrationslager auf dem Ettersberg.
Die Zuhörer, darunter ehemalige Häftlinge und der Präsident des Internationalen Buchenwald-Komitees, Bertrand Herz, reagierten zunehmend ungehalten. Zwischenrufe, Pfiffe und erste Absetzbewegungen im Publikum zwangen Schäfer schließlich zum Abbruch seiner Rede.
Das Kunstfest Weimar steht ihn diesem Jahr unter dem Motto „Pélerinage“, also „Wallfahrt“ oder „Pilgerfahrt“. Im Programm erinnert unter anderem eine Videoinstallation in Buchenwald an das frühere KZ. Auf fünf Monitoren werden die etwa 20.000 geborgenen stummen Relikte der Lagerzeit visualisiert.
Schäfer war nach seiner eigenen Darstellung um eine Rede zum Thema Erinnerungskultur gebeten worden. Als ehemaliger Präsident der Stiftung des Bonner Hauses der Geschichte war er unter anderem für eine Ausstellung zu Flucht und Vertreibung verantwortlich. Man habe ihm nicht mitgeteilt, dass es bei der Auftaktveranstaltung des Kunstfestes vor allem um Buchenwald gehe, sagte Schäfer der dpa. Der Ablauf tue ihm leid. Er wolle das Publikum, das wohl wegen des Konzerts mit Mahlers 9. Sinfonie unter dem Dirigat von Michael Gielen gekommen war, nicht beschimpfen. Es sei unglücklich, dass die Zuhörer über das Vorhaben des Veranstalters nicht informiert waren.
Kunstfest-Intendantin Nike Wagner hielt dem entgegen, Schäfer könne vor Überlebenden von Buchenwald nicht reden, „als wäre er bei einer Veranstaltung von Vertriebenenverbänden“. Das hätte ihm „schon der gesunde Menschenverstand“ sagen müssen. Wagner bedauerte am Sonnabend noch einmal den Vorfall. Schäfer habe das Thema „auf grausame Weise“ verfehlt. Für die „unartigen“ Reaktionen des Publikums zeigte sie Verständnis. Die Thüringische Landeszeitung zitiert weitere kritische Stimmen. „Das war keine Buchenwald-Gedächtnis-Rede“, sagte Volkhardt Knigge, der Leiter der Buchenwald-Gedenkstätte. Weimars neuer Oberbürgermeister Stephan Wolf (SPD) sprach von einer „Schande“. Nationaltheater-Intendant Stephan Märki meinte, so etwas dürfe nicht passieren.
Schäfer amtiert erst seit Februar als Abteilungsleiter beim Staatsminister für Kultur, Bernd Neumann (CDU). Zuvor leitete er das 1987 von dem früheren Bundeskanzler Helmut Kohl gegründete Haus der Geschichte in Bonn. Anfangs misstrauisch beäugt, erwarb sich Schäfer dort einen unabhängigen Ruf.
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