Die andere Party

Heute beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft der Menschen mit geistiger Behinderung in Duisburg. Vor großem Publikum kämpfen die Kicker um Akzeptanz auch in der Behindertensportbewegung

aus köln daniel theweleit

Die große Fußball-WM ist nun seit einigen Wochen beendet, aber das Fußballpartybedürfnis dieser Nation ist scheinbar noch längst nicht gestillt. Zu Beginn der nächsten Weltmeisterschaft in Deutschland herrschte jedenfalls eine umwerfende Stimmung. Am Sonntag wurde die Fußballweltmeisterschaft der Menschen mit geistiger Behinderung vor 12.000 Zuschauern in der Kölnarena eröffnet. Der Sportfreunde-Stiller-Gassenhauer wurde voller Inbrunst geschmettert, und als die deutsche Mannschaft in die Halle einmarschierte, kreischten Mädchen, die Menge tanzte zu satten Beats, und Radio-Reporter Manni Breuckmann, der die Show moderierte, sagte: „Das ist ja unglaublich, die Party geht weiter.“

Heute nun findet das Eröffnungsspiel der WM statt, Deutschland trifft in der Duisburger MSV-Arena auf Japan, und angeblich sind trotz der ungewöhnlichen Anstoßzeit um 12:15 Uhr bereits 24.000 Tickets verkauft. „Natürlich bin ich deshalb sehr nervös“, sagt Guido Skorna, der Kapitän der deutschen Mannschaft. Skorna spielt bei Rhenania Eschweiler in der Verbandsliga, so hoch wie kein anderer seiner Kollegen. Die meisten kicken gar nicht in einem Klub. Titelverteidiger England dagegen soll sogar mit einem Zweitligaspieler anreisen, was die Frage, wer nun wirklich geistig behindert ist und wer nicht, neu entfachen dürfte.

Wir werden mit Sicherheit Probleme im taktischen Bereich haben, weil die Mannschaft einfach Defizite im kognitiven Bereich hat“, sagt Bundestrainer Willi Breuer. Die technischen Fähigkeiten einiger Spieler seien hingegen durchaus beachtlich. Es gibt diese Anekdote, in der Breuer einem frei auf das gegnerische Tor zulaufenden Spieler zurief: „Spiel ihn aus!“ Statt den Torhüter zu umdribbeln, schoss der Stürmer den Ball ins Aus. „Mein Fehler. Ich muss mir selber immer wieder sagen, dass meine Anweisungen präzise sein müssen“, sagt Breuer.

Kapitän Skorna würde das wohl nicht passieren, er sagt fast väterlich: „Ich muss die Jungs noch ein bisschen beruhigen“. Eine Behinderung ist Skorna auf den ersten Blick nicht anzumerken. „Erst wer die Jungs im Alltag erlebt, erkennt die Schwächen“, sagt Ralf Kuckuck, der Geschäftsführer des Turniers. Für die Teilnahme am Turnier der 16 weltbesten Teams müssen folgende Kriterien erfüllt sein: Der Intelligenz-Quotient (IQ) darf den Wert 75 nicht überschreiten, der Sportler muss im Alltag auf Hilfe angewiesen sein, und die Behinderung muss vor dem 18. Geburtstag festgestellt worden sein.

Drei deutschen Spielern wurde noch kurz vor der WM die Teilnahme untersagt, weil sie in den Tests zu gut abschnitten. Die Messbarkeit einer Behinderung stellt ein großes Problem dar. Bei den Paralympics von Sydney gewann eine spanische Basketballmannschaft, deren Spieler, wie sich später herausstellte, gar nicht behindert waren. Geistig Behinderte sind seither ausgeschlossen von den Paralympics, umso wichtiger sind die 48 WM-Partien an 41 Spielorten in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen.

Die Weltmeisterschaft bietet eine Bühne, wie es sie noch nie gab für die Sportler. Bundespräsident Horst Köhler wird das Eröffnungsspiel mit zahlreichen anderen Politikern besuchen, der WDR überträgt alle Partien der Deutschen sowie das Finale am 16. September live, Christoph Daum wird Trainer Breuer auf der Bank assistieren. „Es ist das größte behindertenpolitische Ereignis jemals in Deutschland“, erklärt Hans-Jürgen Wagner, der sich um die wirtschaftlichen Geschicke des Events kümmert.

Auch der DFB hilft bei der Organisation, der Staat finanziert den Großteil der Kosten, nur die Fifa hält sich aus der Angelegenheit raus. Während die Paralympics vom Internationalen Olympischen Komitee unterstützt werden, gibt es beim Fußball-Weltverband „große Berührungsängste“, glaubt Kuckuck. Die Veranstalter erhoffen sich noch nicht einmal finanzielle Hilfe von der Fifa, vielmehr gehe es darum, „die Akzeptanz des Fußballs behinderter Menschen bei den nationalen Fußballverbänden zu erhöhen“. Integration und Akzeptanz sind nämlich die übergeordneten Ziele des WM-Turniers. „Anders ist auch normal“, lautet der Slogan, die große Fifa-WM hat ja auch das vorgemacht: Gesellschaftliche Errungenschaften können noch schöner sein als Siege und Titel.