: Informationsjagd im Internet
Wahlkampfarena Internet: Mit Kandidatenwatch.de etabliert sich das Frage-Antwort-Spiel zwischen Kandidaten und Bürgern. Nur Antworten auf politische Fragen ins Netz zu stellen, reicht nicht aus, wie eine andere Webseite zeigt
Die CDU führt klar mit 88 Prozent. Zumindest bei der Beantwortung von Wählerfragen beim Internetportal www.kandidatenwatch.de. Der Union folgen dicht SPD, FDP und die Grünen, die alle auf 78 Prozent beantworteter Bürgerfragen kommen. Die Linkspartei hinkt mit 73 Prozent hinterher, während die WASG es auf 66 Prozent bringt. Interessierte Bürger haben in den vergangenen vier Wochen den insgesamt 555 Abgeordnetenhaus-Kandidaten mehr als 2.000 Fragen per Mail gestellt. Damit etabliert sich das Frage-Antwort-Spiel im Internet als neue Form der Wahlwerbung in Berlin.
Als Kandidatenwatch vor einem Jahr erstmals Politiker und Wähler auf seiner Seite zusammenbringen wollte, antworteten 71 Prozent der gefragten Kandidaten. Diesmal sind es 80 Prozent. „Normalerweise interessieren sich Bürger mehr für Bundes- als Landeswahlen“, sagt Kandidatenwatch-Leiter Gregor Hackmack. Das erhöhte Interesse der Berliner für die Wahl am 17. September führt er auf die gewachsene Bekanntheit der Website zurück. Dank der Zusammenarbeit mit Zeitungen und Radiosendern wissen mehr Bürger, dass sie nur ein paar Mausklicks brauchen, um ihren Direktkandidaten im Wahlkreis zu Radwegen, Kindergärten oder Strategien gegen Arbeitslosigkeit zu befragen.
Doch das Konzept „Bürger fragen und Politiker antworten im Internet“ ist kein Selbstläufer. Unter www.berlin-entwickeln.de hat der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag einen „Entwicklungspolitischen Wahlcheck 2006“ ins Netz gestellt. Der Verbund von Nichtregierungsorganisationen hat die Abgeordnetenhauskandidaten aufgefordert, Fragen rund um Bildung, Migration oder Kultur zu beantworten. Die CDU-Fraktion reagierte kollektiv – nicht jeder Kandidat einzeln. Bei den meisten Parteien, mit Ausnahme der Grünen, ist es ähnlich. Auch das öffentliche Interesse ist bislang spärlich geblieben. Kandidatenwatch-Sprecher Hackmack vermutet mangelnde Öffentlichkeitsarbeit hinter dem ausbleibenden Erfolg. „Außerdem können die Bürger keine eigenen Fragen stellen. Die Interaktion fehlt.“ Die Begrenzung auf ein sehr spezielles Thema kommt hinzu.
Kandidatenwatch ist teilweise finanziert von der Landeszentrale für politische Bildung, nimmt aber auch eigenes Geld ein: Die Kandidaten können auf der Seite für 50 Euro ein Porträtfoto von sich hochladen. Ein Gewinn für beide Seiten, machen doch die Wähler dadurch im Wortsinne „ein Bild“ vom Kandidaten. Knapp 200 der 555 Politiker haben davon bislang Gebrauch gemacht. MATTHIAS LOHRE