: Segeln gegen die Stadt
FISCHERINSEL Entlang des Wassers hat Eduard Habicher Skulpturen aus Stahlbändern aufgestellt, die mal eben so in den Raum gezeichnet scheinen
Ein riesenhaftes feuerrotes Band, das sich um eine schwarze Schnur gewickelt hat, baumelt hoch oben vor einer gelben Wand in den Wallhöfen in Mitte. Was fast schwebend erscheint, ist ein Stück Stahl, das mit rotem Epoxydharz überzogen wurde und mit Dübeln fest in der Mauer verankert worden ist. Am unteren Ende der Wand befindet sich eine zweite Schlinge. Die beiden Bänder sehen so aus, als ob sie bis vor kurzem zu einer übergroßen Schleife zusammen gebunden gewesen wären, und nun wurde das Band gekappt: Das eine Stücke Schleife hängt obenauf, während das andere gen Boden baumelt.
„Auf oder ab“ nennt Eduard Habicher diese fast 27 Meter hohe Stahlskulptur, die er eigens für diesen Ort entworfen hat. Mit fast 500 Kilo besitzt sie keineswegs die Leichtigkeit ihrer spielerischen Geste, doch genau dieser Kontrast macht ihre Anziehung aus.
Eingeladen wurde der renommierte italienische Bildhauer von der Galerie Son in der Wallstraße, in deren Räumen er zeitgleich ausstellt. Aber nicht nur dort, sondern auch entlang der Wasserstraße zwischen U-Bahnhof Spittelmarkt und dem historischen Hafen Berlin hat er vier Arbeiten installiert. Was wie im Wind flatternde Stoffbänder aussieht, sind rote und gelbe Stahlstücke, die sich um das Geländer winden. Im Hafenbecken hat ein Dampfschiff ein geschwungenes Band an Deck geladen, als wäre es ein Stück Fracht.
Habigers Formen folgen einer antimonumentalen Skulpturidee. Sie bestehen niemals aus ausgefüllten Flächen, sondern gleichen Linien, die sich geradewegs in ihre Umgebung hineinzeichnen. Vor allem fällt dies auf bei „Gegen die Strömung“, einer Skulptur, die kurz vor der Spreegabelung an der Fischerinsel auf jenen Ort hinweist, an dem einst Berlin entstanden ist. Habigers gelbe und rote Stahlträger zeichnen hier die schematischen Umrisse eines Segelboots nach. Am Rande einer Betonplattform mitten im Wasser aufgestellt, liegt dieses Boot allerdings auf dem Trockenen. Zugleich macht es einen so gewichtslosen Eindruck, dass bereits eine kleine Brise ausreichen müsste, um es voranzutreiben.
Am Eröffnungsabend konnte Habigers Wassergalerie auch von der Spree aus besichtigt werden. Ganz leise schipperte ein kleines Solarboot die Besucher bis spät in die Nacht vorbei an den angestrahlten Werken. „Der Rote Faden am Hafen“, wie sich die Ausstellung entlang des Märkischen Ufers nennt, setzt nun bis Ende Oktober mit Habigers minimalistischen Eingriffen gelungene Akzente an einem Ort, der trotz historischer Bedeutung in der Wahrnehmung der Stadt kaum eine Rolle spielt.
In der Galerie Son halten Edelstahlrohre verkohlte Holzblöcke fest umschlungen. Wieder wirkt der Stahl leicht wie ein Stück Schnur, aber Schnur könnte niemals die Last des Holzes so majestätisch tragen, wie es hier geschieht. Es ist die Symbiose der Gegensätze zwischen der Schwere des Werkstoffs Stahl und der Leichtigkeit seiner Formgebung, die Habigers Werk auszeichnet.
JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER
■ Der Rote Faden am Wasser, bis 30. 10., Historischer Hafen Berlin und Wallhöfe ■ Eduard Habicher, Galerie Son, Wallstr. 16, 10179 Berlin, Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 30. 10.