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Archiv-Artikel

Letzte Ausfahrt Bethanien

Bis Dienstag muss ein Kompromiss zum Künstlerhaus her. Scheitern die Verhandlungen zwischen der „Initiative Zukunft Bethanien“ und der Kreuzberger Bezirkspolitik, entscheiden im Oktober die Bürger

Die BVV favorisiert eine Genossenschaft. Wäre das ein „Verbleib in öffentlicher Hand“?

von CHRISTOPH VILLINGER

Wie könnte eine Einigung aussehen, die alle Seiten mittragen? Im Streit über die Zukunft des Künstlerhauses Bethanien bleibt nur noch bis Montagabend Zeit für einen Kompromiss – für 20 Uhr ist eine außerordentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg angesetzt. Am Tag darauf läuft die gesetzliche Einigungsfrist zwischen dem erfolgreichen Bürgerbegehren der Initiative Zukunft Bethanien (IZB) und der BVV ab. Über 14.000 Unterschriften hatte die IZB gegen eine Privatisierung des Hauses am Mariannenplatz gesammelt und ein „Soziales Zentrum“ gefordert. Der Südflügel des Gebäudes ist seit über einem Jahr vom Kultur- und Wohnprojekt „New Yorck“ besetzt.

Was passiert, wenn am Montag keine Einigung erzielt wird, erläuterte Wirtschaftsstadtrat Lorenz Postler (SPD) letzte Woche auf einer Veranstaltung im Casino des Bethanien. In diesem Fall findet am 29. Oktober ein Bürgerentscheid im Bezirk statt. Damit dessen Ergebnis Gültigkeit hat, müssen mindestens 15 Prozent der Stimmberechtigten teilnehmen – laut Postler „exakt 24.710 in Friedrichshain-Kreuzberg gemeldete EU-Bürger ab 16 Jahren“. Die können dann entweder über den Inhalt des Bürgerbegehrens mit Ja oder Nein abstimmen, oder aber die BVV stellt einen alternativen Entwurf zur Wahl. Findet der Vorschlag der IZB eine Mehrheit, gilt er wie ein BVV-Beschluss. Inzwischen trauen auch Politiker der SPD und der Linkspartei der IZB durchaus zu, die Abstimmung zu gewinnen. Die größere Hürde scheint das Quorum zu sein. Für den Bezirk sind mit dem Bürgerentscheid Kosten von mehreren 100.000 Euro verbunden, was den Anreiz zur Kompromisssuche verstärkt.

Gefragt sind nun nicht mehr die Stadträte, sondern die Fraktionschefs der drei großen Parteien in der BVV. Bereits am Mittwochabend trafen sich unter anderem Bernadette Kern (Grüne), Knut Mildner-Spindler (Linkspartei) und Andy Hemke (SPD) zum vertraulichen Gespräch.

Ihre Fraktionen haben sich dem Bürgerbegehren im Laufe der vergangenen Monate stark angenähert. Für Außenstehende unterscheidet sich die 60-seitige Hochglanzbroschüre mit dem Konzept der IZB nur noch wenig von den „Sechs Leitlinien zur Zukunft des Bethanien“, die Vertreter von sozialen Projekten und Parteien im Auftrag des Bezirksamts entwickelt haben. Vom Tisch ist der Verkauf an einen privaten Investor. Auch haben sich die Fraktionen von Grünen, Linkspartei und SPD darauf geeinigt, „einen integrativen Ort für kulturelle, künstlerische und soziale Kommunikation und Interaktion zu schaffen“. Lediglich Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei) hat andere Vorstellungen das anders. Sie gibt dem Bethanien „nur mit einem klaren Kunst- und Kulturprofil eine Zukunft“.

Ein Knackpunkt bei der Konsenssuche bleibt die Kostenfrage. Die Bezirkspolitiker bestehen aufgrund der sogenannten kalkulatorischen Kosten auf der Herausnahme des Bethanien aus dem Bezirkshaushalt. Aber wäre die Gründung einer gemeinnützigen Betreibergenossenschaft aller aktuellen Nutzer des Bethanien unter Beteiligung der BVV wirklich noch ein „Verbleib in öffentlicher Hand“, wie ihn der Text des Bürgerbegehrens fordert? Damit die IZB eine solche Konstruktion akzeptiert, so Simone Kypke von der Initiative, müssten „inhaltliche Aufgaben und Selbstverwaltungsstrukturen eines zukünftigen Trägers genau und bindend ausformuliert werden“. Auch die Frage des Verbleibs des „New Yorck“ im Gebäude ist ungeklärt. Wie weit ist der Anspruch „Kein privates Wohnen“ interpretierbar?

Kypke geht optimistisch in die Verhandlungen mit den Fraktionsvorsitzenden und weiteren Politikern am Sonntagabend. Schon dass so viele bereit seien, auf den „Tatort“ zu verzichten, zeige den Willen zur Einigung.