Schutz für Seyran Ates gefordert

Politiker fordern Überprüfung des Falles Ates. Anwältin gab Beruf auf, weil sie sich zu wenig geschützt fühlte

BERLIN taz/dpa ■ Politikerinnen mehrerer Parteien haben den Rückzug der Berliner Frauenrechtsanwältin Seyran Ates bedauert und fordern Konsequenzen. Die Grünen-Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus, Sibyll Klotz, warb für bessere Präventivmaßnahmen im Gewaltschutz. „Das kann bis zur Inhaftierung des Drohenden gehen“, sagte sie der taz. Die Berliner Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) will den Fall zum Anlass nehmen, das Zeugenschutzprogramm zu überprüfen. Wenn Ates bedroht werde, sei sie selbst Opferzeugin und nicht Anwältin, sagte die Senatorin gestern. Auch Rita Süssmuth, frühere CDU-Familienministerin, hat Personenschutz für die Berliner Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates gefordert.

Ates hatte kürzlich aus Angst um ihr Leben ihre Anwaltszulassung zurückgegeben und ihre Kanzlei aufgelöst. Sie litt nach eigenen Angaben zunehmend unter ständigen Bedrohungen durch Männer ihrer Mandantinnen. Die Anwältin hatte bei der Polizei nachfragen lassen, ob ihr Polizeischutz gewährt werden könne, dies sei aber abschlägig beschieden worden, berichtete Klotz der taz. Die Bedrohung habe für diese sehr aufwändige Maßnahme nicht ausgereicht. Ates selbst wollte sich gestern gegenüber der taz nicht äußern.

Sibyll Klotz sagte: „Man kann der Polizei nichts vorwerfen. Aber wir müssen darüber nachdenken, wie wir unterhalb der Ebene des Personenschutzes Sicherheit herstellen können.“ Im Gewaltschutzgesetz gebe es ein Näherungsverbot, und wenn der Täter es nicht einhalte, müsse man offensiver vorgehen. In Baden-Württemberg wurde etwa die „Gefährderansprache“ in einer Modellprojekt erprobt. „Als letzten Schritte muss man solche Menschen auch in Haft nehmen können“, so Klotz.

Jutta Wagner, Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes und selbst Familienrechtsanwältin, erklärte der taz: „Bedrohungen von renitenten Ehemännern gehören für Familienrechtlerinnen zum Alltag. Normalerweise beruhigen die sich auch wieder. Aber beim Fall Ates ist der Hintergrund völlig anders: Es gibt Migranten, in deren Wertebereich die Prügelstrafe für Frauen oder sogar ein Ehrenmord zu den erlaubten Dingen gehört. Damit muss auch die Polizei natürlich anders umgehen.“

Der Juristinnenbund forderte gestern „konkrete Zusagen seitens der zuständigen Behörden, wie sie Seyran Ates schützen werden, um ihr die Wiederaufnahme ihrer Arbeit zu ermöglichen.“ Gemeinsam mit dem Berliner Anwaltsverein suche der Juristinnenbund eine Sozietät, die Seyran Ates aufnimmt, erklärte Pressesprecherin Anke Gimbal.

Es sei bestürzend, wenn eine mutige Kämpferin für Frauenrechte aufgebe, weil sie sich nicht mehr genügend geschützt fühle, erklärte auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Irmingard Schewe-Gerigk. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) appellierte an türkische Verbände, aktiv zu werden und Unterdrückungsmechanismen bis hin zur Bedrohung nicht zuzulassen. Auch die Islamische Religionsgemeinschaft in Berlin forderte ein Klima, in dem Frauen wie Ates unbedroht arbeiten können. OES