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Archiv-Artikel

Applaus von unerwarteter Seite

LANDWIRTSCHAFT Umweltschützer loben Agrarministerin Aigners Vorschlag, wonach die Länder künftig den Anbau von Gentech-Pflanzen verbieten dürfen. Doch in der eigenen Koalition gibt es deswegen Ärger

BERLIN taz | Endlich erntet Agrarministerin Ilse Aigner mit einem Vorschlag zur geplanten Reform des Gentechnik-Gesetzes mal Zuspruch von Umweltschützern. Diese begrüßten am Dienstag, dass die CSU-Politikerin die Bundesländer die Mindestabstände zwischen Gentechnik- und normalen Feldern selbst festlegen lassen will. Dann könnte etwa das gentechnikkritische Bayern so große Abstände verlangen, dass der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen unmöglich ist. Doch diese Harmonie mit den Gentech-Gegnern nützt der Ministerin nicht. Denn in ihrer eigenen Koalition stößt der Vorschlag auf erbitterten Widerstand.

„Wenn jede Landesregierung selbst entscheiden kann, muss jede auch Farbe bekennen“, sagt Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Da die Mehrheit der Bevölkerung klar gegen Gentechnik sei, wäre der Druck auf die Politiker vor Ort sehr groß, die Pflanzen zu verbieten.

Die Angst der Lobby

Diesen Schritt würden neben Bayern wohl das Saarland und Nordrhein-Westfalen tun, an deren Regierungen die Grünen beteiligt sind, erklärt die Umweltschützerin. Auch Thüringen, Bremen und Hamburg seien skeptisch gegenüber der Agro-Gentechnik. Aber was ist mit Rheinland-Pfalz, Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt, in denen die Gentechnik-Industrie großen Einfluss hat? „Wenn die Bewegung vor Ort stark genug ist, würden selbst diese Länder nicht wagen, die Mindestabstände auf null Meter herunterzusetzen“, antwortet der Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Georg Janßen.

Genau davor haben Gentechnik-Befürworter in der Koalition von CDU/CSU und FDP Angst. „Wir müssen verhindern, dass die Länder den Anbau vollständig unterbinden, indem sie sehr große Abstände festlegen“, sagt der Agrarsprecher der Union, Peter Bleser. „Wir wollen aber, dass die Bauern selbst entscheiden dürfen“, ergänzte seine FDP-Kollegin Christel Happach-Kasan. Es sei ethisch vertretbar sowie ökonomisch und ökologisch nötig, Gentechnik in der Landwirtschaft zu nutzen. Die Umweltschützer warnen dagegen, dass Risiken für Mensch und Umwelt nicht auszuschließen seien. Außerdem würden Agrarchemiekonzerne mithilfe der Patente auf Gentechpflanzen ihre Macht über die Ernährung ausweiten.

Für weitere Vorschläge zum Gentechnik-Recht, die Aigner vergangene Woche den anderen Bundesministerien zugeschickt hat, kassiert sie skeptische Kommentare sowohl aus der eigenen Koalition als auch von den Umweltschützern. Zum Beispiel für die Idee, bundeseinheitliche Regeln für die Messung des Anteils von Gentech-Pflanzen etwa in Saatgut festzulegen. Ziel sei „ein praktikabler Umgang mit der in der EU geltenden Nulltoleranz“, heißt es in dem Brief Aigners. Für CDU-Mann Bleser kann so eine technische Lösung „nur ein erster Schritt“ hin zu Grenzwerten über null sein. Die Gentech-Gegner aber befürchten, dass schon Aigners neue Regeln in der Praxis Verschmutzungen legalisieren. JOST MAURIN