Kameraden im Gerichtssaal

PROZESS Vorm Amtsgericht Hamburg-Barmbek bekommen zwei Männer, die einen Schwarzen misshandelt haben sollen, Zuspruch aus dem Saal

Die Staatsanwältin bezichtigte einen Zeugen der Falsch-aussage und drohte ihm selbst mit einem Verfahren

Sehr viele Besucherplätze hat der Saal 10 des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek nicht. Am Mittwochvormittag waren die Sitze aber fast alle besetzt: Vor allem von Neonazis aus der Hansestadt.

„Die Neonazis haben groß aufgefahren“, war bereits vor Verhandlungsbeginn seitens der Zuschauer aus der linken Szene zu hören. Und tatsächlich kamen während der etwa sechsstündigen Verhandlung mehr „Kameraden“ hinzu. Sie wollten die 34 und 44 Jahre alten Michael A. und Marco N. nicht alleine lassen.

Seit dem 15. September müssen sich A. und N. vor dem Gericht wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Sie sollen am 22. August 2009 in der Bramfelder Chaussee in Hamburg einen farbigen Mann aus Großbritannien geschlagen und mit Pfefferspray besprüht haben, was sie bestreiten. Im Gegenteil, der Farbige habe sie „grundlos“ attackiert, wie der als Zeuge eingeladene Polizeibeamte Thomas Rühmkorf die beiden Angeklagten zitierte. Herr S. solle dem Angeklagten A. sogar ins Ohr gebissen haben.

Auch nach dem zweiten Verhandlungstag konnte noch kein abschließendes Urteil gefällt werden. Die Beweisaufnahme sei aber soweit geschlossen, so der vorsitzende Richter. Insgesamt wurden sieben Zeugen befragt, drei von ihnen gehörten zur rechten Szene, was sie auch nicht zu verstecken versuchten. Kaum hatte Carl S., das Opfer der beiden vermutlichen Täter, zu Beginn der Verhandlung den Saal betreten, kamen Sprüche wie: „Was macht der den hier? Der gehört auf die Anklagebank“.

Insgesamt verfolgten die beiden Angeklagten gelassen die Zeugenaussagen. Erwarteten sie doch, dass ihre Zeugin Inge Notelmann, sie an dem heutigen Verhandlungstag entlasten würde. Vor Gericht führte sie selbstbewusst aus, dass der Nebenkläger S. von „Null auf Hundert“ auf den Angeklagten A. losgegangen wäre.

An jenem Tag, sagte Notelmann, sei sie nicht zur Verteilung von Flugblättern rechtsextremistischen Inhalts zu der damaligen Bundestagswahl eingeteilt gewesen, sondern alleine zur Beobachtung. Sie berichtete, dass ihre Gruppe nahe eines Infostandes von Die Linke auf der einen Seite der Chaussee als auch auf der anderen Seite der Straße bei einer Bäckerei Flugblätter verteilten hätten. „S. hat zwei jungen Frauen ein Flugblatt weggenommen und zerrissen“, sagte sie und „er ging Herrn A. gleich an“. Aussagen die A. und N. mit leichten wohlwollenden Kopfnicken begleiteten.

Der Richter fasste aber nach, denn Notelmanns Ausführungen zu der Auseinandersetzung vor und in der Bäckerei ließen sich „sehr schwer mit dem im Einklang bringen, was wir bisher gehört haben“. Ihre Aussagen waren auch nicht mehr mit denen zu vergleichen, die sie vor einem Jahr gegenüber dem als Zeugen eingeladenen Polizisten gemacht hatte.

Ähnlich verlief auch das Gespräch mit dem jüngsten Zeugen aus dieser Gruppe. Die Staatsanwältin bezichtigte ihn der Falschaussage und drohte mit einem Verfahren gegen ihn. Die Verhandlung wird am 14. Oktober fortgesetzt HASMIK EPISKOPOSIAN, ANDREAS SPEIT