: Wogende Formation
KOMPAKTHEIT Der FC Bayern ist bei 1899 Hoffenheim einmal mehr drückend überlegen. Diesmal gelingt den Münchnern auch der Sieg
BAYERN-KAPITÄN MARK VAN BOMMEL
AUS SINSHEIM CHRISTOPH RUF
Holger Badstuber hatte die Kappe ins Gesicht gezogen, und es wäre gelogen, zu behaupten, dass ihn das älter aussehen ließ. Der WM-Verteidiger ist ja tatsächlich auch erst zarte 21 Jahre jung, die Corporate Identity des Clubs verkörperte er aber am Dienstag wie ein alter Hase. Der FC Bayern ist das Maß aller Dinge, lautet bekanntlich seit Großvaters Zeiten das bajuwarische Mantra. Und wenn noch ein paar Prozent zur Perfektion fehlen, redet man sich einfach so lange stark, bis auch die noch erreicht sind. Badstuber jedenfalls wollte im zweiten Durchgang „keine Chance für den Gegner gezählt“ haben. Und zeigte dabei ein für sein Alter bemerkenswert schlechtes Kurzzeitgedächtnis. Schließlich hatten Boris Vukcevic (58.) und Luiz Gustavo (86.) doch ziemlich gute Möglichkeiten vergeben. Die Bayern hingegen waren tatsächlich drückend überlegen, hatten sensationelle 79 Prozent Ballbesitz, waren dabei allerdings längst nicht so zwingend, wie Präsident Uli Hoeneß („Wir hatten 25 Torchancen in der zweiten Halbzeit“) das erlebt haben wollte. Es wird noch ein wenig Feinschliff nötig sein, ehe das Ensemble seine Klasse wieder in die Torgefährlichkeit umsetzen kann, deren Fehlen derzeit der einzige Punkt auf der Mängelliste ist.
Die Aufzählung dessen, was Spaß an dieser Mannschaft macht, dauert ungleich länger. Sie ist bestens organisiert, und wenn das Wort nicht mittlerweile so oft verfloskelt würde wie das „ich sag mal“, müsste man den Bayern attestieren, dass sie „kompakt“ spielen. Ein Vogel, der nichts Besseres zu tun hat, als an einem lauen Spätsommerabend über Sinsheim zu kreisen, hätte zehn Weißgekleidete gesehen, die in beängstigend geschlossener Formation vor und zurück wogen. Die 30.150 Zuschauer hingegen wunderten sich, in welch hohem Tempo die Bälle weiterverarbeitet wurden, dass sie in den Lauf kamen, wenn sie in den Lauf gespielt werden mussten, und dass im richtigen Moment das Tempo wieder gedrosselt wurde. Und sie spürten, dass die Elf auf den Platz geht, um das Spiel zu gewinnen. Das war auch in den bisherigen vier Saisonspielen so, in denen man allerdings nur zwei Tore und fünf Punkte sammelte. „Der Knoten war schon lange geplatzt, wir haben nur nicht gewonnen“, sagte deshalb Mark van Bommel.
Dass die Bayern wie in Zeiten, als sie sich als Effizienzmaschine gefielen, auch am Dienstag in der Nachspielzeit zum Siegtreffer durch Daniel van Buyten kamen – zuvor hatte Thomas Müller (63.) die frühe Führung durch Vedad Ibisevic (1.) ausgeglichen –, ist längst nicht mehr sytemimmanent. Es lag an der geringen Ausbeute zuvor – und daran, dass die TSG ein Team ist, das in dieser Saison noch oft so überlegen sein wird, wie es die Bayern am Dienstag waren. Hoffenheims Coach Ralf Rangnick hatte aber dennoch recht, als er betonte, der Bayern-Sieg sei „glücklich, aber natürlich verdient“ gewesen. So ist das nun mal bei Treffern in der Nachspielzeit.
Auf semantische Diskussionen wollte sich Louis van Gaal, der bald in Verhandlungen um eine Vertragsverlängerung einsteigen will, gar nicht erst einlassen. „Wir haben sehr gut gespielt“, betonte er stattdessen mit der Gelassenheit eines Lehrers, der nach dem Korrigieren der Klassenarbeiten gemerkt hat, dass seine Schüler gut aufgepasst haben. Er weiß, dass sein Ensemble selbst dann absoluter Meisterschaftsfavorit wäre, wenn der Tabellenführer noch mehr als die sieben Punkte Vorsprung hätte, die die famosen Mainzer bereits als Wintervorrat zusammengehamstert haben. Am Samstag treffen die beiden Teams aufeinander. Und van Gaal hat bereits jetzt ein wenig Mitleid mit dem Team, das sein Manager Christian Nerlinger zuvor versehentlich mit „Aufsteiger“ betitelt hatte: „Wir spielen ein sehr gutes Positionsspiel, das ist schwer zu durchbrechen.“
Keine Wortfindungsschwierigkeiten hatte van Gaal, als er auf die erneute Verletzung von Franck Ribéry angesprochen wurde. Nach der Begegnung mit Hoffenheims Andreas Beck ist das Sprunggelenk des Franzosen lädiert. „Ich glaube, Sie alle haben gesehen, dass es eine schwere Verletzung ist“, sagte er. Man müsse nun eben die Diagnose des Mannschaftsarztes abwarten. Ernsthaft beunruhigt wirkte er dabei nicht, über das Fehlen von Arjen Robben hat bislang übrigens auch kein Offizieller lamentiert. Offensichtlich finden sie, dass es nach den Eindrücken des bisherigen Saisonverlaufs auch keinen Anlass dazu gibt, Schon gar nicht, wo zum Platzen des Knotens jetzt auch noch drei weitere Punkte gekommen sind.