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Archiv-Artikel

Lurchi wird es bald zu heiß in Europa

Forscher rechnen Amphibien und Reptilien nur geringe Chancen aus, den Klimawandel zu überleben

BERLIN taz ■ Amphibien und Reptilien haben die Dinosaurier überlebt, jetzt scheinen sie am Menschen zu scheitern. Einer Studie von Wissenschaftlern des Umweltforschungszentrums (UFZ) Leipzig-Halle zufolge wird bis zum Jahr 2100 ein Artensterben unter den Lurchen und Echsen beginnen. Grund: der Klimawandel. Die Studie ist Teil des ALARM-Projektes, in dem über 200 Wissenschaftler aus 25 Ländern die Entwicklung der Artenvielfalt untersuchen. ALARM steht für „Assessing Large Scale Risks for biodiversity with tested methods“, zu Deutsch: Abschätzen von globalen Risiken für die Artenvielfalt mit wissenschaftlichen Methoden.

In dem Forschungsprogramm wird untersucht, welche Auswirkungen Klimaveränderungen, Umweltgifte, der Rückgang von Bienen und anderen Bestäubern sowie gebietsfremde Arten auf die Artenvielfalt haben. Die Wissenschaftler des UFZ leiten das Projekt. Die Forscher aus Halle und Leipzig haben herausgefunden, dass der Klimawandel schwere Folgen für die Zahl der Amphibien- und Reptilien-Arten haben wird.

Klimatisch bedingte Veränderungen bedrohen speziell Amphibien doppelt: Sie sind genauso abhängig von den Lebensbedingungen im Wasser als auch von denen an Land. Die Forscher des ALARM-Projektes konzentrierten sich auf die Auswirkungen verschiedener Klimamodelle auf 42 Amphibien- und 66 Reptilienarten in Südwesteuropa und stellten eine Prognose für die nächsten 20 bis 50 Jahre auf.

Das Wissenschaftlerteam variierte die Größen Globalisierung und Regionalisierung einerseits sowie herkömmliches und nachhaltiges Wirtschaftswachstum andererseits. Sie kombinierten diese Modelle mit „anerkannten Klimamodellen“, erläutert Ingolf Kühn, Vegetationsforscher am UFZ. Ergebnis: Egal welches Szenario die Forscher durchrechnen, alle Modelle ergaben, dass es in Südeuropa heißer und trockener wird. Und dann „wird es eng“ für die Tiere, schätzt Ökologe Kühn. Jede Variante bedroht den Lebensraum dieser Wirbeltiere und damit auf längere Sicht ganzer Tierarten. Kühn fürchtet: „Ein Artensterben ist wahrscheinlich.“

Betroffen sein dürften vor allem Spanien, Portugal und Frankreich. Hier leben zwei Drittel aller in Europa heimischen Amphibien- und Reptilienarten. In der letzten Eiszeit fanden diese Tiere hier ein Refugium und steigerten ihre Artenzahl, während Mitteleuropa vergletscherte. Die zunehmende Trockenheit könne dazu führen, dass diese „Hotspots des Überlebens zu Hotspots des Aussterbens werden“, hieß es. Ob die Tiere sich dieses Mal wieder retten können, bleibt abzuwarten. Bereits heute stellen Amphibien 23 Prozent aller Eintragungen auf der Roten Liste für bedrohte Arten.

„Aufhalten kann der Mensch eine Klimaveränderung sicher nicht mehr“, sagt der Meteorologe Lars Schanz, Projektkoordinator Umweltforschung und Technik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Doch im Gegensatz zu vielen Tieren könne sich der Mensch wohl anpassen. Klimawandel sei für ihn „nicht perspektivlos“, sagt Schanz.

Das ALARM-Projekt soll noch bis zum Jahr 2009 Daten liefern. Bereits die ersten Ergebnisse der ALARM-Forscher über den Rückgang der Bestäuber hatte ergeben, dass sowohl einige „natürliche Bestäuber als auch deren Wildpflanzen in ernsthaften Schwierigkeiten stecken“, fasst Projektmitglied Koos Biesmeijer zusammen. SUSANNE SCHWARZ