: Der große Durchbruch
Wie ich einmal einen Literaturpreis für mein schriftstellerisches Schaffen bekam
Eigentlich hatte ich mir das Ganze ein wenig anders vorgestellt, mit Sektempfang im Rathaus und einer Laudatio von Marcel Reich-Ranicki oder wenigstens Elke Heidenreich. Überhaupt mehr offizieller Rummel. Aber mein Agent meint, das seien nur Äußerlichkeiten. Der wahre Wert des Preises bestehe eben darin, dass man ihn überhaupt bekommen habe. Das stimmt selbstverständlich. Wer weiß, ob Leute wie Hemingway oder Norman Mailer jemals berühmt geworden wären, wenn sie diesen Preis nicht gekriegt hätten. Putlitzer Preis – so was wirkt sich sofort auf die Auflage aus.
Trotzdem – ein bisschen Enttäuschung merke ich schon. Jetzt muss ich sogar die Pressearbeit selbst machen, obwohl man dafür doch eigentlich seinen Agenten hat. Rüdiger meint jedoch, dies hier sei eine ganz gute Übung für mich. Heutzutage muss man sich eben auch vermarkten können. Außerdem: Ich kann froh sein, dass ich Rüdiger überhaupt getroffen habe! Vom Putlitzer Preis hatte ich zwar schon gehört, aber dass ich ihn mal selbst kriegen würde, das hätte ich mir nie träumen lassen. Manchmal muss eben der Zufall helfen, bei mir war es ein Kolbenfresser auf dem Weg nach Berlin.
Ausgerechnet Putlitz! Da fährt man als erfolgloser Autor jahrelang achtlos an der Autobahnabfahrt vorbei und dann sorgt so eine Panne für den großen Durchbruch. Mein Motor ist leider nicht zu retten, aber die Werkstatt will zum nächsten Tag eine Ersatzmaschine besorgen. Ich quartiere mich also zähneknirschend im nächsten Gasthof ein. Nichts Besonderes, 35 Euro für Übernachtung und Frühstück, aber wie sich herausstellt, ist dies für mich genau der richtige Ort zum richtigen Zeitpunkt. Fernseher gibt es zwar nicht, aber so setze ich mich abends in die Gaststube und schreibe noch ein wenig in meine Kladde. Auf Reisen notiere ich immer Buchideen, skizziere Örtlichkeiten oder halte Begegnungen mit Menschen fest.
Als ich gerade beim zweiten Bier bin, setzt sich jemand zu mir. Zuerst halte ich ihn für einen Vertreter, irgendwas mit Versicherungen, aber schließlich kommen wir ins Gespräch und er erkundigt sich, was ich denn da schreibe. Normalerweise rede ich nicht gern über unfertige Dinge, aber zwei Biere später, fange ich dann doch an zu erzählen – von meinem fertigen Roman, der Arroganz der etablierten Verlage und den vielen frustrierenden Absagen. Rüdiger hört mir eine Weile schweigend zu, dann sagt er plötzlich: „Hast du eigentlich eine Ahnung, wo du hier bist?“ Ich zucke mit den Achseln: „Putlitz“. Und er: „Ja und? Noch nie was vom Putlitzer Preis gehört?“ – „Klar“, sage ich, „kennt doch jeder. Aber ist da nicht unheimlich schwer ranzukommen?“ Rüdiger lächelt und sagt: „Nicht, wenn man die richtigen Leute kennt.“
Rüdiger ist Literaturagent, wie sich herausstellt! Und das Beste daran: Sein Schwager hat den Preis auch schon mal bekommen und sitzt jetzt in der Jury. Rüdiger senkt die Stimme, guckt vorsichtig in die Runde und vertraut mir an, dass ausgerechnet dieser Schwager im Moment etwas klamm auf der Tasche sei. Will sagen: seine Bereitschaft, auch mal einen literarischen Newcomer für den Preis vorzuschlagen, sei im Moment deutlich gestiegen.
Rüdigers Schwager wohnt gleich im Nebenort und nach einem kurzen Anruf sitzt er zehn Minuten später mit uns am Tisch. Ein sehr netter Kerl, wie sich bald erweist, umgänglich und bodenständig wie offenbar alle hier. Inzwischen sind nämlich auch andere Gäste aufmerksam geworden und setzen sich zu uns. Ein paar weitere Jurymitglieder sind dabei. Ich winke dem Wirt und bestelle die erste Runde. Wussten Sie, dass mit der Verleihung des Putlitzer Preises ein fettes Preisgeld verbunden ist? Mit so einem Preis bist du quasi saniert! Kleiner Nachteil ist, dass man bei der Nominierung einen Teil der Preissumme erst einmal vorstrecken muss. Aber Rüdiger meint, das Geld käme schnell wieder herein. Als Preisträger darf man nämlich selbst die Kandidaten für das nächste Jahr vorschlagen. Und welcher Autor wäre nicht bereit, etwas Geld in seinen literarischen Erfolg zu investieren?! Eine Hand wäscht die andere, ein geniales System.
Selbstverständlich sind die am Tisch versammelten Putlitzer neugierig auf mein Buch, ein literarisch interessiertes Publikum eben. Ich lasse mich also nicht lange bitten, und während der Wirt die nächste Lage bringt, hole ich das Manuskript aus dem Koffer und lese daraus vor. Offenbar hatte ich die komischen Qualitäten des Textes bislang unterschätzt, aber die Putlitzer bekommen sich gar nicht mehr ein vor Lachen.
Was für ein Erfolg! Zehn Manuskriptseiten und drei Lagen später zwinkert mir der Wirt bereits vertraulich zu und meint, ich hätte den Preis so gut wie in der Tasche.
Leider fiel dann, wie eingangs erwähnt, die Verleihung am vergangenen Wochenende eher schlicht aus – nur Rüdiger und ich waren anwesend. Aber in erster Linie geht es ja um den Preis an sich und um gute Verlagsverträge. Und da ist Rüdiger voll am Ball. Kein Wunder, dass ich ihn gar nicht mehr zu sehen bekomme. Jetzt muss ich mich allerdings um die Kandidaten für 2007 kümmern. Falls Sie also jemanden kennen, der einen guten Roman geschrieben hat und in seine Zukunft investieren möchte – ich helfe gern weiter.
PETER BAUHAUS