POLITIKUM A20

Die A20: Die Autobahn 20 ist der längste Autobahnneubau seit 1945. Am 7. Dezember 2005, neun Monate vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, wurden die 323,2 Kilometer freigegeben. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach bei der Eröffnung von einer „Lebensader des Nordens“ und fasste so die Hoffnungen zusammen, die das strukturschwache Bundesland mit dem Autobahnbau verbindet.

Das Politikum: Der größte Teil der A20, 279,6 Kilometer, verläuft durch Mecklenburg-Vorpommern. Nach anfangs starken Protesten haben sich seit Ende der Neunzigerjahre viele Bürger für das Großprojekt eingesetzt. „A20 Ja“, „A20 sofort“, „A20-Baubeginn wichtig für uns“ stand auf ihren Schildern. Die Landesregierung dürfte das freuen. Denn in dem rot-rot regierten Bundesland wird am Sonntag gewählt. Nach jüngsten Umfragen könnte die SPD von 40,6, auf 31 Prozent fallen. Damit läge sie Kopf an Kopf mit der CDU, die auf 30 Prozent käme. Die PDS würde sich von 16,4 auf 20 Prozent verbessern, die FDP mit 7 Prozent in den Landtag kommen. Die rechtsextreme NPD könnte mit 6 Prozent erstmals den Einzug ins Parlament schaffen

Die Planung: Das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit“ sah schon im April 1991 den Bau von sieben Fernstraßen in Ostdeutschland vor. Um den Bau voranzutreiben, wurde die „Deutsche Einheit Fernstraßenplanung- und -bau Gmbh“, kurz Deges, gegründet. Das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz sollte bewirken, dass Einwände gegen die Bauprojekte von einer einzigen Gerichtsinstanz entschieden werden. Statt wie ursprünglich geplant 2,3 Milliarden Euro hat der A20-Bau dann 1,9 Milliarden gekostet.

Die Umwelt: Dem Linienbestimmungsverfahren ging eine Umweltverträglichkeitsstudie voraus. Auf 6.300 Quadratkilometern wurden „konfliktarme Korridore“ für den Trassenverlauf gesucht. Naturschützer kritisierten, dass fast das ganze Gebiet als besonders wertvoll eingestuft wurde, um dann sagen zu können: Wenn der Schaden überall riesig ist, können wir bauen, wo wir wollen. Die A20 schneidet nun mit 80 Brücken ins Peenetal und andere ökologisch wertvolle Landstriche.

Der Ausgleich: Die Umweltfolgen – Flächenversiegelung, Lärm, Abgase und Reifenabrieb – versucht man zu kompensieren. Brücken und Tunnel sollen Tieren die Fahrbahnquerung ermöglichen, es wurden Biotope angelegt und Hecken gepflanzt. Ausgleich gab es meist nicht kleinteilig, wie sonst üblich, sondern auf großen Flächen im weiteren Umkreis.

Die Nutzung: Dass der westliche A20-Abschnitt Rostock – Lübeck stark befahren würde, daran bestand nie Zweifel. Im Osten fürchtete man eine „Geisterstraße.“ Es gibt noch keine exakten Zählungen, aber der ADAC sieht die A20 in ihrem ersten Sommer schon als „Ferienroute im Norden Deutschlands“.

Die Recherche: Der Autor ist fünf Tage lang vom Kreuz Uckermark in Vorpommern bis nach Lüdersdorf in Westmecklenburg getrampt. Nie wartete er länger als 15 Minuten auf ein Auto. So konnte er nahezu alle Termine mit A20-Anliegern einhalten.