: Zuspitzen und weitermachen
ARCHITEKTUR Entwürfe zur Umgestaltung der Bahnhofsvorstadt thematisieren das Verhältnis von Büroflächenleerstand und Wohnungsmangel weitgehend unkritisch
VON JAN-PAUL KOOPMANN
Was wäre, wenn auf der Hochstraße vor dem Hauptbahnhof keine Autos führen – sondern Bäume wüchsen? Mit diesem eindruckvollen Bild bewirbt die Bremer School of Architecture ihre Doppelausstellung „Büroblase BRD // Stelzengarten Bremen“. Die ausgestellten Arbeiten junger ArchitektInnen befassen sich mit der zukünftigen Nutzung von Bürogebäuden an der Hochstraße und thematisieren auf diesem Wege zugleich ein gesamtdeutsches Problem.
Denn während vielerorts bezahlbarer Wohnraum fehlt, stehen riesige Büroflächen leer. Der erste Teil der Ausstellung vergleicht die Situationen in verschiedenen Städte und stellt für Bremen provokativ fest: Leerstand ist für die Eigentümer kein Nachteil – gerade im Innenstadtbereich. 42.000 Quadratmeter Bürofläche sind hier ungenutzt und generieren ihren Eigentümern steuerlich vorteilhafte Verluste: Sie „sitzen buchstäblich auf ihren Immobilien und spekulieren“, sagt eine Schautafel.
Diese politische Fragestellung verliert sich leider recht zügig in den konkreten Arbeiten des zweiten Ausstellungsteils. Sechs Entwürfe werden dort als plastische Modelle und Grafiken dargestellt. Sie alle arbeiten mit der Hochstraße und verwenden sie als verkehrsberuhigte Fußgängerzone in der Höhe. Kleine Brücken ermöglichen den Zugang in obere Etagen der Gebäude, wo sich Empfangsräume befinden. Überlegungen zur Nutzung der Häuser bestimmen ihre äußere Gestaltung. Die Entwürfe basteln an der Funktionalität der alten Bürogebäude und integrieren hier und da Wohnflächen.
Das Bestehende wird konserviert und stellenweise zugespitzt. Um die Diskomeile beispielsweise wird der Mix aus Behörden und Rotlichtszene in der Verkehrsführung festgeschrieben: Nachts sollen die Straßen für Autos gesperrt werden, um Platz für fußläufiges Partypublikum aus ganz Norddeutschland zu machen. Als „subtile Veränderungen“ bezeichnet Projektbetreuer Stefan Rettich die Arbeit seiner Studierenden: „Viel muss man manchmal gar nicht machen.“
Auch die Lohnarbeit im Büro haben die Studierenden gleich wieder im Projekt festgeschrieben. Und die Betriebskantine soll für öffentliche Gastronomie genutzt werden. Eingefasst in eine Tiefgarage findet sich ein Büro im Glaskasten – mit Blick auf die „Luxuskarossen“, so das Konzept. Einige Stockwerke drüber liegen dann schnieke Loftwohnungen fürs Management. Der eben noch angerissene kritische Zusammenhang wird nicht vertieft, das Kapital wird dafür hübsch durchgestylt. Immerhin mit interessanten Ideen, etwa zur Lichtführung in Gebäudekomplexen mit ungünstiger Lage und Ausrichtung.
Die Fragestellung der Projekte hätte mit ihrer sympathischen Absage an vermeintliche Sachzwänge Raum für freiere Spekulationen gelassen. Seit Jahren werden Diskussionen um einen Rückbau der Hochstraße vor allem durch zwei Fragen bestimmt: Woher mit dem Geld und wohin mit den Autos? Das wiederum sei in den Konzepten nicht weiter vertieft worden, so Rettich.
Ein weiterer Zwang, der nicht diskutiert wird: der Entwurf des Architekten Max Dudler für die umstrittene Bebauung des Bahnhofsvorplatzes. Die Ausstellung nimmt ihn als gegeben an und mischt sich nicht ein. Die Gebäude kommunizieren allerdings auch nicht mit dem geplanten Bau, sondern sind auf den Charakter der vorhandenen Büroklötze ausgerichtet. Zwingend nötig war die Thematisierung des Entwurfs nicht. Sicher wäre sie aber eine gute Gelegenheit gewesen, sich in einer drängenden Debatte zu positionieren.
Zumindest in Sachen Beton sind sich die Studierenden und Dudler aber auch einig: Bäume kommen in den Entwürfen nur selten vor. Nur am Rembertikreisel, dem östlichen Rand des Planungsgebiets, findet sich eine größere Grünfläche, daneben eine der Rembertikirche nachempfundene Bibliothek. Soziale Fragen werden jenseits der Partyzone auch im Doventorviertel bearbeitet: ein Block mit barrierefreien Wohnungen und begrüntem Hof als Begegnungsraum für ältere Menschen.
Senatsbaudirektorin Iris Reuther, deren Ressort die Ausstellung finanziell unterstützt, freute sich auf der Vernissage über die Entwürfe der jungen Architekten-Generation: „Sie müssen ja auch noch am längsten darin leben.“
Bis 29. April, Montag bis Freitag, 10 bis 17 Uhr, School of Architecture, Bahnhofsplatz 21