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Archiv-Artikel

In Hamburg regiert das Volk mit, in Stuttgart wird es regiert

VOLKSBEGEHREN Ein Ranking von „Mehr Demokratie“ zeigt enorme Unterschiede zwischen den Ländern

DÜSSELDORF taz | Hamburg und Berlin sind Spitzenreiter in Sachen Bürgerbeteiligung. Das ist das Ergebnis eines „Volksentscheid-Rankings“, das die Initiative „Mehr Demokratie“ am Dienstag in Düsseldorf vorgestellt hat. Insgesamt sieht der bundesweite Verein einen Trend zu mehr direkter Demokratie – bei allerdings „extremen Unterschieden“ zwischen den Ländern.

In Zusammenarbeit mit der Universität Wuppertal verglich „Mehr Demokratie“ die gesetzlichen Möglichkeiten für Bürgerbegehren auf der kommunalen sowie Volksbegehren und -entscheide auf der Landesebene. Punkte gab es etwa für die Möglichkeit, alle wichtigen politischen Fragen zur Abstimmung zu bringen oder für eine angemessene Frist zur Unterschriftensammlung. Bewertet wurde außerdem die Höhe der Abstimmungsquoren und die Zulässigkeit von haushaltswirksamen Volksbegehren. Wie viele Plebiszite durchgeführt wurden und mit welchem Erfolg, spielte bei der Bewertung keine Rolle.

„Insgesamt hat sich die Qualität direktdemokratischer Verfahren wesentlich verbessert“, sagte Professor Hans-Joachim Lietzmann von der Forschungsstelle für Bürgerbeteiligung an der Uni Wuppertal. Dabei käme Hamburg und Berlin eine Vorreiterrolle zu. Sie hätten sich zu einer „Art Laboratorium für direkte Demokratie“ entwickelt. Als erste Bundesländer wurden die beiden Stadtstaaten mit der Gesamtnote „gut“ bewertet. Damit überholten sie Bayern, das beim letzten Ranking vor drei Jahren noch mit „befriedigend“ vorn lag. Thüringen verbesserte sich vom vorletzten auf den vierten Platz – der größte Sprung.

Besonders ungünstig in Sachen direkter Demokratie sieht es hingegen in Baden-Württemberg aus. Nur im Saarland ist es um die Einflussmöglichkeiten der Bürger noch schlechter bestellt. Noch nie gab es denn auch in diesen beiden Bundesländern auf Landesebene Volksbegehren oder -entscheide. Der entscheidende Grund: Die Quoren sind zu hoch. Deshalb dürfte auch die Hoffnung auf eine Bürgerabstimmung über Stuttgart 21 ein Wunschtraum bleiben. Denn in Baden-Württemberg müssen mindestens 16,6 Prozent aller Wahlberechtigten einem Volksbegehren zustimmen, 33 Prozent einem Volksentscheid über ein einfaches Gesetz. Die Regelungen seien „bürgerfeindlich und prohibitiv“, konstatiert „Mehr Demokratie“. Zum Vergleich: Die derzeit im „Ländle“ regierende schwarz-gelbe Koalition wurde bei der vergangenen Landtagswahl von knapp 29 Prozent der Wahlberechtigten gewählt.

PASCAL BEUCKER