portrait : Arabische Feministin vereint Nationen
Die Geschichte von Sheikha Haya Rashed liest sich wie die feministische Neufassung eines Märchens: Seit gestern ist die Muslimin Präsidentin der UN-Vollversammlung. Um vom Königreich Bahrain ins Reich der Diplomatie nach New York zu gelangen, benötigte die Angehörige der Al-Khalifa-Familie, welche das Land seit dem 18. Jahrhundert regiert, mehr als blaues Blut.
Die Urenkelin des bahrainischen Herrschers Isa ibn Ali Al Khalifa erwarb zunächst mehrere Jura-Abschlüsse in Kuwait und Ägypten, bevor sie 1979 die erste Anwältin des Inselstaates wurde. Danach folgten weitere Pionierleistungen: 1997 durfte sie als erste Beraterin an den Königshof in Manama, 1999 als erste Botschafterin Bahrains nach Paris, ab 2000 arbeitete die Diplomatin in der bahrainischen Unesco-Vertretung.
Die 53-Jährige läuft am liebsten im Hosenanzug über das diplomatische Parkett, und ein Tuch kommt ihr nicht auf den Kopf. Auf eine eigene Familie hat sie zugunsten ihrer Karriere verzichtet, ohne es bisher zu bedauern. Sie kämpft persönlich und politisch für die Gleichstellung der Geschlechter, und das in Arabisch, Englisch oder Französisch gleichermaßen flüssig. Das entspreche, so Rashed zu Cicero, ihrer Auslegung des Korans und ihrem Verständnis von juristischer Logik. Bei den Vereinten Nationen hat Religion ihrer Ansicht nach nichts verloren.
Genau ein Jahr lang hat sie Zeit, sich in der UN-Vollversammlung für weltweite Geschlechtergleichheit einzusetzen. Seit 37 Jahren ist sie die erste Frau auf dieser Spitzenposition und erst die dritte in der gesamten Geschichte der UN-Vollversammlung. Ein weiteres Anliegen ihrer Präsidentschaft ist der Nahostkonflikt. Und die Schwerpunkte im Antiterrorkampf müssten neu gesetzt werden, sagte Rashed nach ihrer Wahl im Juni. „Terrorismus kann nicht bekämpft werden, ohne Probleme wie Armut und Arbeitslosigkeit anzugehen.“
Während sich die Prinzessin, die sich lieber mit „Ihre Exzellenz“ ansprechen lässt, nun um die VertreterInnen von 192 Mitgliedstaaten kümmern muss, sind die 33 Inseln ihrer Heimat auf dem stetigen Weg der Modernisierung. Vor vier Jahren wurde im Zuge der Umwandlung Bahrains zur konstitutionellen Monarchie das Wahlrecht für Frauen eingeführt, und seit den Reformen hat sich die Menschenrechtssituation erheblich verbessert.
Die KollegInnen in Rasheds Law Firm freuen sich mit ihrer Chefin über deren neues Amt. Sie sehen es aber nur als Zwischenstation: „Wir sind zuversichtlich, dass Haya noch höhere Berge erklimmen wird.“ Als künftige erste Königin Bahrains sieht sich Rashed denn aber doch nicht.
RUTH STREICHER