Bombenanschlag in Diyarbakir

Zehn Menschen werden getötet und über ein Dutzend verletzt. Während Ankara die PKK beschuldigt, verorten die Kurden die Täter im rechtsextremen türkischen Milieu

ISTANBUL taz ■ Bei einer gewaltigen Bombenexplosion in der kurdischen Metropole Diyarbakir sind in der Nacht zum Mittwoch 10 Menschen getötet und über ein Dutzend verletzt worden. Der Sprengsatz explodierte in der Nähe einer gut besuchten Parkanlage im Armenviertel Baglar. Augenzeugen sprachen von einem regelrechten „Blutbad“. Die Leichen von mindestens sieben Opfern sind so verstümmelt, dass sie nur durch DNS-Analysen identifiziert werden können. Unter den Toten und Verletzten, allesamt Kurden, befinden sich zahlreiche Kinder. Bis gestern Nachmittag hatte sich niemand zu dem Anschlag bekannt.

Dessen ungeachtet kursieren in der Türkei bereits zwei Versionen des Tathintergrunds. Die türkischen Behörden und auch die türkischen Medien vermuten als das eigentliche Ziel das 1,5 Kilometer von dem Explosionsort entfernte Polizeipräsidium. Dieser Version zufolge explodierte die Bombe in der Hand eines PKK-Terroristen auf dem Weg zum Tatort und ist damit ein weiterer Beweis für die Brutalität der Kurdenorganisation.

Die Kurden glauben, dass der sogenannte türkische „Deep State“ dahinter steckt – entweder eine paramilitärische Organisation wie die Jitem, deren Existenz die Armee leugnet, oder die rechtsextremen „Türkischen Rachebrigaden“.

Die verdeckt operierenden Gruppen hatten in den 1990ern im Kampf gegen die PKK illegale Methoden bis zum Mord angewandt. So sprach der gewählte kurdische Bürgermeister Diyarbakirs, Osman Baydemir, gestern von einer „offenen Provokation, die Zivilisten zum Ziel“ gehabt hätte. Baydemir, der Verbindungen zur PKK hat, hat in diesen Tagen mit seiner Partei DTP die PKK zu einem einseitigen Waffenstillstand aufgerufen. Dieser Appell war wenige Stunden vor dem Bombenanschlag der Presse vorgetragen worden. Parteichef Ahmet Türk berief sich dabei auf „die Basis, die Frieden fordert und keine Gewalt mehr will“. Die PKK bietet sich im Gegenzug als Ankaras Verhandlungspartner für eine Lösung der Kurdenfrage an.

Die die Fronten verhärten sich. Während auf der kurdischen Seite die Stimmen für einen eigenen Staat immer lauter werden, setzen viele Türken auf den härteren Kurs der Armeeführung. Generalstabschef Yasar Büyükanit weiß bei seinem harten Vorgehen gegen die separatistische PKK einen Großteil der türkischen Gesellschaft hinter sich. Hier und da kommt es bereits zu ersten Angriffen von Türken auf Kurden, wie vor wenigen Tagen in Trabzon an der Schwarzmeerküste. Dort versuchten Einwohner vier kurdische Saisonarbeiter zu lynchen, die sie für PKKler hielten.

Die „Freiheitsfalken Kurdistans“, eine Splittergruppe der PKK, haben in den vergangenen Wochen mit Waldbränden und brutalen Angriffen auf Touristenziele der türkischen Wirtschaft einen enormen Schaden zugefügt. Die Regierung von Ministerpräsident Tayyip Erdogan fährt im Moment einen opportunistischen Kurs: Im Herbst 2007 finden Neuwahlen zum Parlament statt, und Kurden sind größtenteils Wähler der gemäßigten Islamisten. Erdogan will weder seine türkisch-nationalistische Basis verprellen noch seine kurdischen Wähler. Er hält sich deshalb aus dem Konflikt heraus und überlässt die „Drecksarbeit“ der Armee. So verhallen die Friedensappelle der Zivilgesellschaft auf beiden Seiten im Nichts. Eine Eskalation der Gewalt scheint unausweichlich. DILEK ZAPTCIOGLU