Abzocke für ungefragte Leistung
Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten wollen, dass die Besitzer internetfähiger Geräte GEZ-Gebühren zahlen
VON THORSTEN DENKLER
Zugegeben, möglich ist das. Radio über den PC zu hören. Sollen ja auch schon einige machen. Wie viele es sind, weiß niemand genau, aber es sind bestimmt … na, einige. Genug jedenfalls für ARD und ZDF. Seit sich gestern die ARD-Granden in Schwerin getroffen haben, gilt als sicher: Ab Januar müssen Besitzer für ihre internetfähigen Geräte Radiogebühren an die Gebühreneinzugszentrale, die GEZ, abdrücken. Übrigens völlig egal, ob Computer, Handy oder Organizer. Es ist nicht mal erheblich, ob das Gerät technisch in der Lage ist, mehr als nur ein blechernes Fiepen von sich zu geben. Was ins Internet kommt, ist potenziell ein Radio. Macht 5,52 Euro pro Monat. 66,24 Euro im Jahr. Für eine Leistung, die niemand bestellt hat.
Die Intendanten sehen das Internet ungefragt als Zielgebiet für ihren Anspruch auf Grundversorgung der Bürger. Deshalb bietet die ARD seit 2001 die meisten Radiofrequenzen als Livestream an. Deshalb sind die Online-Ableger von „Tagesschau“ und „heute“ inzwischen ausgewachsene Newsportale mit Vollredaktionen.
Heute dürfen die Anstalten 0,75 Prozent ihres Gebührenaufkommens in das Onlineangebot stecken. Bisher musste das Geld woanders im Programm abgezwackt werden. Ab kommendem Jahr wird endlich der Traum öffentlich-rechtlicher Kassenwarte wahr: Die Tür zu einer Internet-Rundfunkgebühr ist auf. In der ARD wird schon fleißig gerechnet: Im ersten Jahr sollen zwei Millionen Euro zusätzlich reinkommen, zwölf Millionen im zweiten und satte 22 Millionen Euro ab 2009. Wenn denn die Rechnung stimmt. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag geht von einer Mehrbelastung der Unternehmen zwischen 166 Millionen Euro und 756 Millionen Euro aus.
Noch dürfen die künftigen Gebührenzahler von Glück reden. Generös wie die ARD-Bosse nun mal sind, verzichten sie vorerst darauf, die volle Rundfunkgebühr von 17,03 Euro pro Monat zu verlangen. Die stünde ihnen nämlich nach dem geltenden Rundfunkstaatsvertrag aus dem Jahr 2004 zu. Damals haben sich die Länderchefs mit ARD und ZDF darauf geeinigt, alle „neuartigen Rundfunkempfangsgeräte“ in die Gebührenpflicht zu nehmen. Seit dem müssen internetfähige Geräte bei der GEZ angemeldet werden. Nur Gebühren sollten erst ab Januar 2007 erhoben werden.
Öffentlicher Druck führte dazu, dass die Maximallösung noch einmal überdacht wurde. Jetzt also zunächst nur die Radiogebühr. Dabei soll es bleiben, bis sich öffentlich-rechtliches Fernsehen in vergleichbarem Umfang im Internet wie über die herkömmlichen Übertragungswege abspielt. Aber das, schätzt Detlef Kürten, Medienexperte der Industrie- und Handelskammer Köln, ist nur „eine Frage von zwei bis drei Jahren“. Spätestens dann dürfte gelten: Ein Computer ist ein Radio ist ein Fernseher. Macht: volle Gebühr.
Ernst wird es nach den ARD-Plänen für alle, die bisher nicht mal ein Radio angemeldet haben, aber ein „neuartiges Rundfunkempfangsgerät“ ihr Eigen nennen. Ein WG-Bewohner, der bisher auf ein Radio verzichtet hat, weil ja eines in der Gemeinschaftsküche dudelt, muss ab Januar seinen Rechner anmelden, auch wenn er nur hin und wieder seine Mails abruft. Ansonsten sind private Haushalte kaum betroffen.
Lehrer, die am privaten PC im Internet nach Stoff für ihren Unterricht suchen, müssen ab Januar ihre Rechner der GEZ melden. Hart trifft es Unternehmer mit vielen Zweigstellen wie etwa Reisebüroketten. Für jeden Standort muss ab Januar ein Rechner angemeldet werden. Und dann gibt es noch das Heer von Außendienstlern, die über internetfähige Handys verfügen, mit deren Hilfe sie Geschäftsdaten in die Zentrale mailen. Ab Januar … Da kann ganz schön was zusammenkommen. Ein selbstständiger Mediendesigner etwa: Fernseher und Radio stehen im privaten Teil der Wohnung. Im Arbeitszimmer nur der Rechner. Ein Radio im Geschäftswagen. Heute zahlt er 270,60 Euro. Wird der PC zum Radio, sind es 336,84 Euro. Sobald der Laptop zum Fernseher deklariert wird, werden nach heutigem Gebührenstand 474,96 Euro pro Jahr fällig. Der arme Mann kann gar nicht so viel gucken, wie er zahlen muss.
Die Gebührenjunkies von ARD und ZDF behaupten jetzt, dass die Folgen gar nicht so schlimm seinen. Mit der Zweitgeräteregelung muss ja im Grunde nur dann ein Rechner angemeldet werden, wenn kein angemeldetes Radio irgendwo herumsteht. „Dies“, sagt ARD-Chef Thomas Gruber, „dürfte in Privathaushalten wie im gewerblichen Bereich eher die Ausnahme sein.“ Verlässliche Zahlen darüber gibt es nicht.
Kritiker des Gebührensystems fordern seit Jahren, von der geräteabhängigen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wegzukommen. Von Grünen und Liberalen wird eine Mediengebühr pro Haushalt verlangt. Das ergibt Sinn. Denn der Haushalt muss noch erfunden werden, in dem zeitgleich „Tagesschau“, „heute“-Sendung, das Feature auf WDR 5 und das ZDF-Online-Dossier zum Papst konsumiert werden.