: Fisch stinkt vom Kopf
Fraktionsübergreifend kritisieren Politiker jetzt die Abfallgesetzgebung: Vor Giftskandalen wie den PFT-Belastungen in Ruhr und Möhne kann die Bioabfallverordnung nicht wirksam schützen
VON MIRIAM BUNJES
Die bestehenden Gesetze können VerbraucherInnen nicht ausreichend vor Umweltgiften wie den jetzt entdeckten Tensiden schützen. Das bestätigen jetzt Politiker aller Fraktionen.
Die taz hatte gestern berichtet, dass Umweltwissenschaftler die 1998 erlassene Bioabfallverordnung für unzureichend halten. Auch Klärschlämme fallen unter die Kategorie Bioabfall. „Das hat mit Bio nichts zu tun“, sagte Christoph Schulte, Ökotoxikologe beim Bundesumweltamt. Die grünen Umweltpolitiker Johannes Remmel und die ehemalige Landesumweltministerin Bärbel Höhn betonen, dass sie sich während der Regierungszeit für eine Verschärfung der Schadstoffgrenzwerte im Bioabfallbereich eingesetzt hätten. Ihre Initiativen seien von der Mehrheit im Bundesrat abgeblockt worden.
Im Mai waren in der Ruhr und der Möhne im Hochsauerlandkreis große Mengen perfluorierte Tenside (PFT) aufgetaucht. Als Hauptquelle dafür wurde so genannter Biodünger der Borchener Firma GW Umwelt ausgemacht. Der Giftstoff soll über verschiedene Lieferanten aus Belgien in den Dünger gelangt sein.
„Das ist ein klarer Fall von Umweltkriminalität“, sagt der Leverkusener Bundestagsabgeordnete und Ex-Vizechef der Bundesgrünen Reinhard Loske. „Auch nach diesem tatsächlich schlechten Gesetz hätte PFT nicht in den Dünger gelangen dürfen.“
Allerdings ist die entsprechende Formulierung in der Verordnung sehr vage: „Verwertung nur dann, wenn keine Vermischung mit Abwässern und Schlämmen außerhalb spezifischer Produktionen erfolgt.“ Zugelassen sind Schlämme aus der Nahrungsmittel- und der Papierindustrie.
Sind verschiedene Lieferanten über mehrere Produktionsstufen beteiligt wie im aktuellen PFT-Skandal, sei das mit diesem vagen Gesetzestext aber kaum nachprüfbar, kritisiert NRWs Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU). Er will sich in der Agrarministerkonferenz für eine Gesetzesänderung einsetzen.
„Das Gesetz muss dringend überarbeitet werden“, sagt Reinhard Loske. Es sei im Spannungsbogen zwischen Abfallkreislaufwirtschaft und dem Wunsch nach Schadstofffreiheit entstanden. „Für die Kreislaufwirtschaft ist es natürlich wichtig, dass Stoffe wiederverwendet werden können. Das geht aber offenbar so stark zulasten der Schadstofffreiheit, dass das nicht tragbar ist“, sagt der Umweltpolitiker. Für die Industrie werde das möglicherweise teuer, weil sie dann für die Entsorgung zahlen müsse.
Der PFT-haltige Dünger wurde laut Staatsanwaltschaft Arnsberg von der Firma GW Umwelt sogar umsonst an die Bauern verschenkt. PFT wurde nun auch in Fischen in der Möhnetalsperre, der Hennetalsperre und im Baldeneysee – also auch am Unterlauf der Ruhr – entdeckt. Im Möhnesee waren die Fische mit bis zu 0,2 Mikrogramm PFT pro Gramm belastet. Dieser Wert überschreitet den Toleranzwert des Bundesinstituts für Risikobewertung für den Verzehr um das Zehnfache.
Die gesundheitliche Auswirkung von PFT auf Menschen ist nicht erforscht. In Tierversuchen erwies sich der Stoff als leberschädigend und krebserregend. Außerdem ist er noch Jahre später im Blut und in der Muttermilch nachweisbar.