Zaghafter Frieden unter Mangobäumen

Nach dem Waffenstillstand zwischen Ugandas Regierung und der gefürchteten nordugandischen Rebellenbewegung LRA kommen jetzt die ersten Rebellenkämpfer aus dem Busch. Für die Menschen der Kriegsregion beginnt eine neue Ära

AUS DURA (NORDUGANDA)ILONA EVELEENS

Lautlos laufen sie durch das meterhohe Gras: junge Männer mit Waffen, Kinder, Mädchen mit Babys auf den Rücken. Der etwa 100 Menschen starke Trupp der ugandischen Rebellenbewegung LRA (Widerstandsarmee des Herrn) macht bei einer Gruppe Mangobäume Station. Kurz danach halten einige Armeefahrzeuge in der Nähe. Ugandische Regierungssoldaten steigen aus und nehmen ebenfalls unter den Bäumen Position ein.

Früher hätten sie aufeinander geschossen. Jetzt gucken die LRA-Kämpfer, viele mit Rastalocken, lediglich angespannt um sich herum. Die Soldaten erscheinen entspannt, aber auch sie halten ihre Waffen schussbereit. Es ist eine der ersten Begegnungen zwischen Armee und Rebellen seit dem Waffenstillstand, den die beiden Kriegsparteien am 26. August in Südsudans Hauptstadt Juba schlossen. Die Armee soll den Rebellen, die vereinbarungsgemäß ihre Stellungen verlassen und sich in designierte Sammelpunkte in Südsudan begeben, freies Geleit gewähren und sie mit Nahrung versorgen. Bis 19. September haben die Rebellen dafür Zeit; derweil laufen in Juba die Friedensgespräche weiter.

Die Spannung unter den Mangobäumen löst sich, als die Armee Getränke und Kekse verteilt. Die gesamte Bevölkerung des nahen Dorfes Dura, etwa 80 Kilometer entfernt von der Grenze zu Südsudan, schaut zu. „Wir sind froh, dass die Rebellen aus dem Busch kommen“, erklärt ein junger Mann und schüttelt einem der Kämpfer herzlich die Hand. „Wir verzeihen ihnen.“

Zwanzig Jahre machte die LRA den Norden Ugandas und Teile Südsudans unsicher. Sie wollte Ugandas Präsident Yoweri Museveni absetzen und das Land mit den biblischen Zehn Geboten regieren. Die LRA ermordete Erwachsene und entführte Kinder. Beinahe zwei Millionen Menschen flohen aus ihren Dörfern und leben seitdem in Lagern.

„Ich wurde vor zehn Jahren entführt“, erzählt Julius, ein 20-jähriger LRA-Kämpfer. „Es ist das erste Mal, dass ich wieder normal mit Leuten rede. Ich will so schnell wie möglich nach Hause zurück.“ Er bittet darum, dass jemand eine Nachricht an seine Familie übermittelt: „Sag bloß, dass ich noch lebe.“

Plötzlich taucht ein Dutzend Kinder aus dem hohen Gras auf, ungefähr zwischen 7 und 10 Jahren. Sie schauen ängstlich. „Wahrscheinlich sind das die zuletzt entführten Kinder“, urteilen Zuschauer von dem Ereignis. Der Leiter des LRA-Trupps, Oberstleutnant Okello Okuti, befiehlt den kleinen Kindern, einen Teil der Nahrung zu tragen, die ihm die Armee gerade gegeben hat. Er selbst bekommt ein Handy und ruft Vincent Otti an, die Nummer zwei der LRA. Okuti fragt, ob er ein Angebot der Armee annehmen darf, die Rebellen mit Lkws an Südsudans Grenze zu bringen. Der Oberstleutnant läuft nur mit Mühen, weil er einen entzündeten Fuß hat. Doch durch das Handy ist für jeden die barsche Antwort von Otti zu hören: „Wir sind immer gelaufen. Und auch jetzt laufen wir.“

Unter der Bevölkerung herrscht großer Optimismus hinsichtlich der Chance auf Frieden. Nur der internationale Haftbefehl gegen die wichtigsten LRA-Kommandanten gilt als Hindernis. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sucht LRA-Führer Joseph Kony, seinen Stellvertreter Vincent Otti und noch zwei andere wegen Kriegsverbrechen. Kony und Otti führen darum nicht selbst die Friedensverhandlungen in Juba, weil sie fürchten, verhaftet zu werden. Kommandant Okuti, selbst nicht auf der Liste von gesuchten Kommandanten, findet den Haftbefehl schlecht. „Er ist ein Hindernis und muss eingezogen werden. Die ganze Welt soll mitarbeiten am Friedensprozess.“

Die Bevölkerung in den nordugandischen Flüchtlingslagern, alles Opfer der LRA, ist der gleichen Meinung, merkte Jan Egeland, Chef der Humanitären Abteilung der UNO, als er diese Woche Norduganda besuchte. Im Lager Opit fragte er, was die Menschen brauchten. Sie wollten nur, dass der Strafgerichtshof die LRA-Haftbefehle einzieht.

„Es hat mich erstaunt, wie groß die Versöhnungsbereitschaft ist“, sagt Egeland hinterher. Er verbrachte die Nacht im Lager, um zu zeigen, dass die Sicherheitslage sich seit Anfang des Friedensprozesses gebessert hat. Heute wird Egeland dem UN-Sicherheitsrat über seine Erfahrungen berichten.