: „Vögel sind auch Opportunisten“
STADTBEWOHNER Der Ornithologe Guido Teenck über Vögel in der Großstadt, milde Winter und darüber, woher Vögel in Afrika wissen, wann sie wieder los müssen
■ 45, studierte angewandte Kulturwissenschaften (heute Umweltwissenschaften) in Lüneburg und hat danach als ornithologischer Gutachter Vogelbestände dokumentiert. Seit 14 Jahren arbeitet er für den Nabu.
INTERVIEW FRIDA KAMMERER
taz: Herr Teenck, fühlen sich Vögel in der Großstadt wohl?
Guido Teenck: Es gibt sogar Vogelarten, die direkt in die Städte kommen. Es gibt Arten, die sind richtig angepasst, wie die ganzen Gebäudebrüter, wie der Mauersegler oder der Turmfalke. Und dann gibt es Vogelarten, die eigentlich im Wald oder freier Landschaft vorkommen und jetzt in die Städte einwandern, weil es ihnen im Umland immer schlechter geht und die Stadt mehr zu bieten hat. Wobei es ihnen hier auch nicht unbedingt besser geht.
Was ist in der Stadt schlechter?
Es gibt immer weniger Nistplätze, an Häusern zum Beispiel. Durch Sanierungen gehen viele Löcher und Nischen verloren, in denen die Vögel vorher genistet haben. In den Parks, Kleingärten und Grünanlagen geht auch oft Lebensraum verloren, etwa durch Überpflege der Anlagen oder durch nicht naturgerechte Pflege. Etwa wenn zu viel ausgelichtet wird.
Können Vögel und Menschen prinzipiell zusammen leben?
Vögel sind natürlich auch Opportunisten. Wir kennen das von den Spatzen, die einfach das Nahrungsangebot nutzen, das wir ihnen hinterlassen. Andere Arten sind da ein bisschen weniger zutraulich. Die brauchen schon ihre Ruhe, ihre Abgeschiedenheit, die sie dann in der Stadt nur in Parks oder auf Friedhöfen finden. Die, die dort leben, sind dann sehr menschenscheu.
Soll man im Winter Futter für die Vögel bereitstellen? Verlieren sie dadurch ihren Instinkt?
Vögel sind schlau, sie verlernen nicht die Fähigkeit zur eigenen Nahrungssuche. Wir empfehlen, dann zu füttern, wenn es notwendig ist. Wenn es zum Beispiel viel schneit und eine geschlossene Schneedecke entsteht, so dass die Vögel nichts mehr finden können, oder die Gewässer zugefroren sind. Für den Menschen ist dabei besonders gut, dass er die Vögel dann beobachten kann.
Und wenn andere Tiere zum Fressen dazukommen?
Wir hören öfter, dass Eichhörnchen die Vögel vertreiben. Grade wenn da Erdnüsse oder andere Nüsse liegen. Da stehen Eichhörnchen auch total drauf. Da kann es schon zu Konkurrenz kommen. Wenn die Eichhörnchen da eine Weile bleiben, sich praktisch im Vogelhaus breitmachen, kann es sein, dass die Vögel erstmal Abstand nehmen.
Der Winter war sehr mild. Stört das den Rhythmus der Vögel?
Für die Vögel, die im Winter hier bleiben, ist das gut, deren Rhythmus wird nicht gestört. Prinzipiell kann man sagen: Je milder der Winter, desto mehr Vögel überleben. Für die Langstreckenzugvögel, da kann es Probleme geben, weil die Natur hier schon viel weiter ist, als für die Jahreszeit sonst üblich. Das heißt, wenn die Vogelarten auf bestimmte Insekten angewiesen sind, kann es sein, dass sie zum falschen Zeitpunkt kommen – Vögel und Insekten sich praktisch verpassen.
Woran merken die Zugvögel in Afrika, dass sie los müssen?
Ab einer bestimmten Tageslänge, wenn es in Afrika auf Winterzeit zugeht, setzt die Zugunruhe ein. Dann fangen sie an, in ihre genetisch vorprogrammierte Richtung zu fliegen. Wenn sie in Südeuropa sind, dann ist der Weiterflug witterungsabhängig. Bei gutem Wetter ziehen sie einfach weiter, bei schlechtem Wetter kommt es zu einem Zugstau.
Zugstau?
Der Zug wird unterbrochen. Die Vögel warten, dass das Wetter wieder besser wird. Das machen die Vögel aber nur bei extremen Bedingungen. Wie bei dem Sturm neulich, da warten die Vögel dann erst mal ab, bevor es weitergeht.
Brüten die Vögel bei einem milden Winter früher?
Bis Ende Februar darf geschnitten und gesägt werden. Aber wenn so mildes Wetter ist, dann fangen die Vögel natürlich auch schon Mitte bis Ende Februar an; zumindest mit der Wahl des Nistplatzes. Einige Arten, gerade die Meisen, die suchen sich dann schon ihre Plätze, und dann ist es natürlich gut, wenn nicht mehr viel geschnitten wird. Generell ist es ein Problem, dass zu viele Gärten und Grünanlagen zu sehr ausgelichtet sind, sprich: Es ist kaum noch Gebüsch oder Unterholz vorhanden. Das macht vielen Vogelarten zu schaffen.
Werden es dann mehr oder weniger Vögel?
Das ist schwer zu sagen. Man muss es differenziert sehen: Einige Arten werden mehr, auch in der Stadt. Insgesamt ist die Tendenz aber negativ. Wenn man mal alle Arten über alle Lebensräume betrachtet, haben wir eher einen Negativtrend. Das liegt aber auch daran, dass das ganze Umland, also die landwirtschaftlichen Flächen, die Gewässer und so weiter, zurückgeht.
Ab dem 22. März bietet der Nabu bis Ende Mai 137 vogelkundliche Spaziergänge an. Infos unter www.NABU-Hamburg.de/wassingtdennda