: Kein Wort in Gottes Ohr
Da ein katholischer Seelsorger die Aussage verweigert, droht ihm Beugehaft. Er steht im Verdacht, inhaftierten mutmaßlichen Al-Qaida-Mitgliedern Informationen beschafft zu haben
VON SIMON KARSTEN
Der Prozess um die drei mutmaßlichen Al-Qaida-Mitglieder vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf ist um einen einmaligen Vorgang reicher. Ein katholischer Seelsorger der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wuppertal, der als Zeuge geladen war, wurde am Dienstag zu Beugehaft verurteilt – weil er wiederholt die Aussage verweigert hat. Sein Anwalt legte Einspruch ein. Wird der abgelehnt, wäre dies nach Aussage eines Sprechers des Oberlandesgerichts Düsseldorf der erste Fall von Beugehaft für einen Geistlichen in Deutschland.
Der 45-jährige Geistliche sollte Stellung beziehen zu dem Verdacht, für einen der Beklagten Internet-Recherchen angestellt zu haben. Den drei Angeklagten wird unter anderem vorgeworfen, verschiedene Versicherungsbetrügereien in Millionenhöhe geplant zu haben. Ein inszenierter Unfall in Ägypten sollte die Prämien mehrerer Lebensversicherungen erbringen. Die erschwindelten Beträge seien laut Anklage für die Terrororganisation Al-Qaida vorgesehen gewesen. Und offenbar hat einer der Angeklagten noch nach seiner Festnahme und dem Bekanntwerden der Betrugspläne aus der JVA heraus mit den betreffenden Versicherungen korrespondiert.
Das warf die Frage auf, wie die Briefe aus der JVA gelangten und wie der Mann an die Adressen der Versicherungen kommen konnte. Nachdem die Gefängnisbelegschaft ergebnislos befragt worden war, wurden die Ermittler auf den katholischen Seelsorger aufmerksam. Dieser berief sich jedoch auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, das ihm als Seelsorger zusteht. Nach Anfrage des Gerichts beim Erzbistum Köln wurde dem Seelsorger eine Sondergenehmigung erteilt. Der Weg zu einer uneingeschränkten Aussage war frei.
Trotzdem sagte der Seelsorger auch am Dienstag wieder nicht in vollem Umfang aus. Die erste Frage, ob er Briefe aus der JVA geschmuggelt habe, verneinte er. Zu der Frage nach möglichen Internetrecherchen wollte er sich dann aber nicht mehr äußern und berief sich erneut auf seine Schweigepflicht als Seelsorger. Das Gericht verhängte daraufhin eine Beugehaft von maximal sechs Monaten – beziehungsweise bis zum Ende des Prozesses. Die Verteidigung legte Beschwerde ein, die Haft wurde ausgesetzt, bis eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vorliegt.
„Wahrscheinlich wird diese Beschwerde abgelehnt“, sagte Thomas Weigend, Beauftragter der juristischen Fakultät an der Universität Köln, „und die Beugehaft tatsächlich vollzogen.“ Denn ob der Seelsorger sich auf seine Schweigepflicht berufen darf, kann bezweifelt werden. Sie berührt nur Kenntnisse, welche im Zuge der Seelsorge bekannt oder anvertraut worden sind. Zwar hat der Geistliche die Möglichkeit, durch einen eigenen Ermessensspielraum zu entscheiden, welche Aussagen über seine Tätigkeit er unterlassen möchte. Doch wenn die Internetrecherche niemals Inhalt der Gespräche war, könnte der Geistliche ohne Verletzung der Schweigepflicht eine Aussage machen. „Die Frage, ob der Zeuge nun zuhause aktiv recherchiert hat, fällt jedoch nicht in den Bereich der Seelsorge und muss daher beantwortet werden“, so Weigend.
Damit aber erhärtet sich der Verdacht, dass der Geistliche sich nicht selbst belasten möchte. Um dies zu vermeiden, könnte er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen. Als Konsequenz droht dann ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zu einer Straftat. „Es ist durchaus denkbar, dass der Mann in dem Bewusstsein gehandelt hat, dem Angeklagten bei der Erledigung seiner privaten Belange zu helfen“, sagt Susanne Böhm, Rechtsanwältin aus Lübeck.
Für diese Annahme spricht, dass die Seelsorger in der JVA nicht darüber informiert sind, welche Vergehen ihren Gesprächspartnern zur Last gelegt werden. Auch sind sie berechtigt, Verwandten Nachrichten zu übermitteln oder Kontakte herzustellen. Also möglicherweise die Straftat eines Unwissenden? Dies erscheint zumindest wahrscheinlicher, als dass ein katholischer Seelsorger in den Jihad zieht.