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Archiv-Artikel

Leonore Mau. Ein kurzes Porträt

Von PS

Ihr Medium ist das Schweigen. Das Bild, das für sich spricht. Das einzelne Wort und die Stille danach. Sie deutet allenfalls an. Sagt, dass man den Rest in Hubert Fichtes Büchern nachlesen möchte. Sie findet, es reiche aus, wenn eine Begebenheit einmal erzählt oder aufgeschrieben wurde.

Es ist ein Abenteuer, Leonore Mau zu treffen. Jene kürzlich 90 Jahre alt gewordene Fotografin, die seit 1961 mit dem homosexuellen Autor und Ethnologen Hubert Fichte zusammen- und ihn um 20 Jahre überlebte. 1961 waren sie sich begegnet. Da war sie noch mit Ludwig Mau verheiratet. Inspirierend fand die Architekturfotografin den damals unbekannten Autor Fichte, für den sie ihre Familie verließ.

„Ich mache einen Star aus dir“, hatte Fichte gesagt, nicht ahnend, dass sie eine echte Symbiose leben würden: Bis in brasilianische Favelas und afrikanische Psychiatrie-Dörfer sind sie gemeinsam gereist, haben Interviews und Reportagen daraus gemacht. Er sprach, sie fotografierte. Er verhandelte sie aus ausweglosen Situationen heraus, sie sah und hörte. Gefährlich war es oft. „Da, wo man Trommeln hört, muss man hingehen, um die ursprünglichen Riten zu erleben“, hat Leonore Mau einmal gesagt.

Sieben, acht Stunden harrten sie bei Einweihungs- und Heilungsritualen aus, bei denen auch schon mal das Blut frisch geschlachteter Hühner floss. Geschockt hat sie das nicht: „Warum auch?“ sagt Mau heute. „Blut ist für diese Völker etwas Natürliches.“ Sie schüttelt den Kopf mit jenem Lächeln, von dem man nicht weiß, ob es süffisant oder voll milden Mitleids für den Frager ist. Jenes Lächeln, mit dem sie sich sofort wieder einkapselt, nachdem sie zwei, drei Anekdoten preisgegeben hat.

Asymmetrisch flackern Details auf, am liebsten ungefragt beziehungsweise ohne Bezug zur Frage. „Beim Karneval in Trinidad saß ich mit Einheimischen auf einer Mauer. Da spürte ich eine Hand in meiner Kameratasche. Ich habe sie genommen, zurückgelegt und gesagt: Ich möchte Ihre Hand nicht in meiner Tasche haben.“

Solche Gelassenheit hat sie Hubert Fichte abgeschaut? „Er war unglaublich geschickt. Wenn es bedrohlich wurde, gab er mir oft ein Zeichen, dass ich still sein sollte. Er regelte es dann. Einen Afrikaner hat er in New York mal davon abgehalten, mir meine Kamera wegzunehmen, indem er ihm dann auf bestimmte Art die Hand auf die Schulter gelegt hat. In Afrika ist es sehr wichtig, wie man jemandem die Hand gibt.“

Sie spricht mit Respekt, aber ohne devote Bewunderung von Fichte. Sie war kein Anhängsel. Sie waren ebenbürtig. Als Künstler, als Kameraden. Als Intellektuelle. Altgriechisch und Kreolisch haben sie gelernt, haben Mathematik studiert. „Gott ist ein Mathematiker“ lautet der erste Satz ihres jüngst erschienen Text-Bildbandes „Die Kinder Herodots“, in dem Mau Kinderfotos und Fichte-Texte kombiniert. Bilder, entstanden an der Wiege, zwischen Plattenbauten, auf dem Friedhof. Ein Mix aus Idyll und Elend. Eine Bilanz der vergangenen Jahrzehnte.

Aber hatten sie noch gemeinsame Pläne, Fichte und sie? Japanisch hatten sie noch lernen wollen, sagt Mau. „Dazu ist es dann ja nicht mehr gekommen.“ Denn Fichte starb 1986. Und allein wollte sie es nicht? „Eine so schwere Sprache, nein.“ Und das Fotografieren, das sie derzeit, weil an den Rollstuhl gefesselt, nicht ausüben kann? Will sie erst wieder beginnen, wenn sie wieder gehen kann. Wann das sein könnte, weiß niemand. PS