: „Wir verlangen eine Entschuldigung“
GEWALT Die Polizei agierte völlig überzogen, sagt Alexander Schlager. Wasserwerfer verletzten sein Auge. Er fordert Konsequenzen
■ 31, wurde am 30. September in Stuttgart beim Polizeieinsatz gegen Bahnhofsgegner verletzt.
taz: Herr Schlager, Sie sind einer von vier Demonstranten, die beim Polizeieinsatz im Schlossgarten schwer verletzt wurden. Wie geht es Ihnen?
Alexander Schlager: Ich kann inzwischen wieder sehen, habe aber noch ein geschwollenes, blutunterlaufenes Auge. Ich wurde wegen eines Netzhautrisses operiert. Es gibt gute Chancen, dass das Auge verheilen wird, aber es bleibt ein Restrisiko, dass sich die Netzhaut ablöst. Welche Langzeitschäden das haben kann, lässt sich nicht sagen.
Wie geht es den drei anderen?
Ein Mann wurde wie ich aus dem Krankenhaus entlassen. Zwei weitere liegen noch mit schwersten Verletzungen in der Klinik. Sie werden voraussichtlich dauerhafte Schädigungen behalten. Bei einem Mann sieht es sehr schlecht aus. Er wird voraussichtlich auf mindestens einem Auge nie wieder mehr als Schatten sehen können. Wenn überhaupt.
Die Polizei beschuldigt die Demonstranten. Tragen Sie eine Mitschuld?
Weder ich noch die Szenen, die ich beobachten konnte, haben irgendetwas zu der Eskalation beigetragen. Ich habe nur gesehen, wie versucht wurde, sich vor der Polizeigewalt zu schützen. Wenn die Polizei nun Beweise für Gewaltausbrüche liefern will, kann ich das nur unterstützen. Bilder über meinen Vorfall etwa würden die Unverhältnismäßigkeit der Mittel zeigen, die dort angewandt wurden.
Mussten Sie nicht damit rechnen, dass die Polizei auf zivilen Ungehorsam entsprechend reagiert?
Erstens: Ich war an jenem Donnerstag an keiner einzigen Sitzblockade beteiligt, sondern stand auf dem Weg vor dem Wasserwerfer und wollte mich gerade entfernen, als mich der Strahl traf. Und dennoch: Natürlich habe ich mich wie alle anderen auch auf die geltende Rechtslage verlassen. Sitzblockaden sind eine Ordnungswidrigkeit. Ich hätte durchaus in Kauf genommen, mich gegebenenfalls wegtragen zu lassen, und auch ein Ordnungsgeld akzeptiert. Aber diese Polizeigewalt lag schlicht weit jenseits aller Verhältnismäßigkeit. Das war widerrechtlich.
Sie sind Sprecher der Augenverletzten. Was fordern Sie?
Wir verlangen vom Innenminister Heribert Rech und Ministerpräsident Stefan Mappus eine Bitte um Entschuldigung und haben in einem offenen Brief alle Landtagsfraktionen aufgefordert, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten. Sollte sich dabei herausstellen, dass durch politische Einflussnahme zur Eskalation beigetragen wurde, worauf derzeit vieles hindeutet, fordern wir den Rücktritt des Innenministers und des Ministerpräsidenten. Die Politik muss zur Verantwortung gezogen werden.
INTERVIEW: MARTIN KAUL