GROSSSTADTNOMADEN
: Rampensäue in Mitte

Leander torkelt die Straße entlang

„Hinter dir ist Leander Haußmann, aber dreh dich nicht um“, zischelt mir Nadja ins Ohr, dabei bräuchte sie gar nicht zu zischeln, denn wir stehen gegenüber den Hackeschen Höfen. Es ist laut und wir verursachen gerade einen Touristenstau, weil wir auf dem engen Bürgersteig stehen geblieben sind, um zu beraten, welche Flaschengetränke wir kaufen, um uns unauffällig unter die jungen Großstadtnomaden zu mischen, die alle mit einem Flaschengetränk in der Hand herumlaufen, von der Angst geplagt, auf der Stelle zu dehydrieren, wenn man das nicht tut. „Wer?“, frage ich, wie ich das eigentlich immer tue. Sicherheitshalber. „Leander Haußmann“, zischelt es wieder. „Wer ist das?“, frage ich. Nadja kräuselt die Stirn, dann holt sie ein paar Flaschen, während ich wie ein Tourist dumm herumstehe und Leander Haußmann hinterherschaue.

Der Mann trägt ein beiges Blouson und eine dunkelblaue Levi’s, jedenfalls schließe ich messerscharf, dass es eine Levi’s ist, weil er außerdem ein kleines beiges Einkaufstütchen trägt, auf dem Levi’s steht. Der Hosenboden hängt stark nach unten und er torkelt mit einem Handy am Ohr die Straße entlang. Er ist nicht betrunken, aber er schwankt wie Rudolf Augstein in seinen besten Zeiten. Als er über die Straße eiert, mache ich mir schon fast ein wenig Sorgen. Aber er lässt das Handy nicht los und plappert und plappert.

„Kennst du den?“, frage ich Fup, der mir schwer auf den Schultern sitzt, aber Fup interessiert sich nicht für den torkelnden Mann, er macht Faxen, und die Touristen winken ihm zu und lachen. Ich kann das zwar nicht sehen, weil er mir ja auf den Schultern sitzt, aber ich kenne ihn. Er muss immer die Rampensau geben. Vielleicht sollte ich mit einem Hut herumgehen und Geld sammeln, denke ich. Gegen Fup kann Leander Haußmann mit seiner Torkelnummer einpacken. KLAUS BITTERMANN