: Schweizer Rechte legen nach
Nach der gewonnenen Volksabstimmung vom Sonntag will die konservative SVP unter Christoph Blocher das Ausländerrecht sogar noch weiter verschärfen
GENF taz ■ Die Sieger der Schweizer Volksabstimmung vom Sonntag, bei der die WählerInnen zwei Gesetzesvorlagen der Regierung zur deutlichen Verschärfung der Asyl- und Ausländerpolitik mit mehr als Zweidrittelmehrheit billigten, haben Blut geleckt. Der Hauptbetreiber dieser Verschärfungen, Justizminister Christoph Blocher von der Schweizer Volkspartei (SVP), forderte die bei der Abstimmung unterlegenen Sozialdemokraten und Grünen sowie die Schweizer Gerichte und Behörden zu einer schnellen, vollständigen und kompromisslosen Umsetzung der neuen Bestimmungen auf.
Zugleich kündigten Blocher und SVP-Generaldirektor Uli Maurer weitere Verschärfungen an sowie mit Blick auf die Wahlen im Herbst 2007 eine Kampagne gegen die „zunehmende Islamisierung der Schweiz“.
Die meisten Bestimmungen des neuen Asylgesetzes will Blocher bereits zum 1. Januar 2007 in Kraft setzen. Dann werden Anträge auf Asyl überhaupt nicht mehr bearbeitet, wenn der Antragssteller nicht innerhalb von 48 Stunden nach Einreise in die Schweiz einen Identitätsnachweis erbringt. Akzeptiert wird nur noch ein gültiger Reisepass oder ein Personalausweis, nicht mehr wie bislang noch eine beglaubigte Geburtsurkunde oder der Führerschein. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) in Genf kritisierte diese Bestimmung gestern als „Verstoß“ gegen die von der Schweiz ratifizierte Flüchtlingskonvention der UNO.
Asylbewerber, die nicht mit den Behörden kooperieren oder die Schweiz nach ihrer Abweisung nicht verlassen, können nach dem neuen Gesetz ohne weiteres Verfahren bis zu zwei Jahre in Abschiebehaft gehalten werden. Ab Januar 2008 sollen laut Blocher dann auch alle Sozialhilfeleistungen für Asylbewerber gestrichen werden.
Mit seiner Aufforderung zur schnellen, vollständigen und kompromisslosen Umsetzung der Verschärfungen erteilte Blocher den Hoffnungen der Gegner der neuen Gesetze auf eine humane, jeweils am konkreten Einzelfall orientierte Umsetzung eine Absage. Ohnehin enthält das neue Asylgesetz keine Härtefall- oder Ausnahmeregelungen mehr. Zudem wird die praktische Solidaritäts- und Unterstützungsarbeit für Asylbewerber und Flüchtlinge durch das neue Gesetz erheblich erschwert. Denn SchweizerInnen, die abgewiesene Asylbewerber mit Nahrung oder anderen Gütern versorgen, sie beherbergen (z. B. im Kirchenasyl), verstecken oder nach Meinung der Behörden „Scheinehen“ eingehen, drohen künftig bis zu fünf Jahre Haft.
Das neue Asylgesetz wurde mit einer Mehrheit von 67,8 Prozent angenommen, das neue Ausländergesetz, das die Niederlassungs-, die Arbeits- und die Familiennachzugsmöglichkeiten für Nicht-EU-Bürger einschränkt, mit 68 Prozent. In beiden Fällen stimmten alle 26 Kantone mit Ja – wobei die Mehrheiten in den französischsprachigen Kantonen geringer ausfielen als in der Deutschschweiz; und am geringsten in Genf (51,2 Prozent), dem Kanton mit dem höchsten Ausländeranteil und der größten Arbeitslosigkeit der Schweiz. ANDREAS ZUMACH
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