Auf halber Strecke verendet

HISTORISIERUNG Im Deutschen Historischen Museum in Berlin wurde die Ausstellung „Hitler und die Deutschen“ eröffnet, doch so recht kann man sich aus dem Sammelsurium der gezeigten Dinge kein Bild davon machen, was die Ausstellung letzten Endes bezweckt

Der Eiertanz mit den Titeln macht deutlich, wie schwer man sich damit tat, das Thema zu fokussieren

VON DORIS AKRAP

Wer in der Ausstellung „Hitler und die Deutschen“ nach Hitler sucht, muss ganz schön nah rangehen. Und das gleich beim ersten Objekt, einer riesigen Fotografie, auf der eine jubelnde Menge zu sehen ist: Ein kleiner Lichtkegel beleuchtet auf dem Foto einen winzigen Fleck, der Fleck ist angeblich der Kopf von Adolf Hitler, der Teil der Masse ist, die am 2. August 1914 auf dem Münchner Odeonsplatz die Mobilmachung feiert. Hitler war eben „ein Mann aus der Hefe des Volkes“, wie sich Hans Ottomeyer ausdrückt, der Direktor des Deutschen Historischen Museums, in dem gestern die Ausstellung eröffnet wurde.

Und weil er eben nur ein gewöhnlicher Mann aus dem Volk war, der es geschafft hat, den Deutschen weiszumachen, er sei der von ihnen ersehnte Erlöser, beschäftigt sich die Ausstellung auch nicht mit der Person Hitler und zeigt weder seine Uniform noch „persönliche“ Gegenstände, noch große Porträts oder Originalfotos und -dokumente, selbst sein Personalausweis ist nur eine Reproduktion. Zentral, so die Ausstellungsmacher rund um den Historiker Hans-Ulrich Thamer, soll das „Wechselverhältnis“ zwischen Führer und Volk vermittelt werden, die Botschaft, dass die „deutsche Volksgemeinschaft“ den Führer erwählte, weil er das repräsentierte, was sie begehrten. In die Irre führt deshalb der Titel „Hitler und die Deutschen“, die Ausstellung wäre vielleicht treffender mit „Die Deutschen und Hitler“ bezeichnet worden.

Der Untertitel „Volksgemeinschaft und Verbrechen“ wirkt zwar auf den ersten Blick besser gewählt. Der Eiertanz mit den Titeln macht aber deutlich, wie schwer sich die Ausstellungsmacher damit taten, das Thema zu fokussieren. Hitler solle „entdämonisiert“ werden, erläutert die Kuratorin Simone Erpel. Die NS-Propaganda soll nicht reproduziert, sondern als falsche Versprechung enttarnt werden. So wird in jedem der acht Kapitel der Ausstellung neben Fotos, Plakaten und Objekten der NS-Propaganda Foto-, Film und Zeitungsmaterial ausgestellt, das zeigen soll, welche Brutalität und Grausamkeit hinter der „sauberen Fassade“ steckte.

Aber ist es wirklich notwendig, das „Sideboard“ des Führerschreibtisches aus der Neuen Reichskanzlei schief aufzuhängen, damit die Deutschen den Führer endlich schief angucken? Und sowieso stellt sich die Frage, welchen Erkenntniswert es hat, das „Sideboard“ überhaupt zu zeigen, wo doch nicht die Frage der Devotionalien entscheidend für die Auswahl der Objekte gewesen sei, sondern deren Symbolleistung, wie Kurator Ulrich Thamer nicht müde wird zu betonen. Mit dem ehrenwerten und richtigen Anspruch der Ausstellung: kein Führer ohne Volk und kein Führerbild ohne Bilder des Schreckens, verhaspelt sich die Ausstellung jedoch. Dass es nur ein paar Hitlerbüsten und ein paar kleine Hitlerporträts des Leibfotografen Heinrich Hoffmann zu sehen gibt, damit kann man sich in der Hitlerausstellung ja noch irgendwie abfinden. Aber außer einer Handvoll Briefen von Privatpersonen an den lieben Herrn Hitler, einem mit dem Vaterunser, Hakenkreuzen, SA-Truppen und Hitlerjungen bestickten Wandteppich aus der Kirche von Rotenburg an der Fulda sind kaum Exponate zu sehen, die zeigen, wie weit die Deutschen mit der Ideologie des NS einverstanden und wie sehr sie an deren praktischer Umsetzung beteiligt waren. Ein industriell angefertigter, mit einem Hakenkreuz bemalter Lampion, ein Kartenspiel „Führerquartett“ oder ein trommelnder SA-Mann aus Pappe, der Werbung für die Zigarettenmarke „Trommler“ macht, geben nicht Aufschluss über die „Verstrickung“ des Volks, sondern folgen eher der Erklärung, der Führer habe das Volk mit ideologischem Kitsch verführt. – Am Ende der Ausstellung fragt man sich also schon, um was genau es hier eigentlich noch mal gehen sollte. Sämtliche Ausstellungsziele verenden auf halber Strecke, alles wird angesprochen, nichts wird vertieft. So ist eines der interessantesten Objekte sicherlich Gerhart Hauptmanns Ausgabe von „Mein Kampf“, die mit etlichen Anstreichungen und Kommentaren versehen ist. Sie liegt, wie alle Objekte, in einer Vitrine. Anstatt das Gästebuch eines Reichsparteitags zu digitalisieren, durch das man sich in der Ausstellung klicken kann, wäre es sicherlich interessanter gewesen, Hauptmanns Anstreichungen durchblättern zu können. Den Abschluss der Ausstellung bildet übrigens Hitlers Weiterleben nach seinem Tod auf den Titelbildern des Spiegel, im Hitlerblog der taz oder in Walter Moers’ Persiflage auf den Film „Der Untergang“. Gut, dass man wenigstens jetzt noch mal laut lachen kann.

■ Bis 6. Februar 2011, DHM Berlin, Katalog (Sandstein Verlag) 25 Euro