: Zehn Zentimeter mehr Leidenschaft
TRAUMSTART Dank Gerald Asamoah und einer starken kämpferischen Leistung schlägt der FC St. Pauli vor 24.000 Zuschauern den FC Nürnberg verdient mit 3:2 (1:0). Damit feiert er seinen ersten Heimsieg und den besten Bundesliga-Start seiner Geschichte
Ein Gang wie John Wayne, jeder Schritt von Gewicht und wenn er läuft, trabt er eher, als dass er sprintet. FC St. Pauli-Trainer Holger Stanislawski hat Gerald Asamoah, seine prominenteste Neuverpflichtung, nach langer Verletzungszeit das erste Mal von Spielbeginn an „von der Kette gelassen“, doch zunächst deutet nichts darauf hin, als könnte dieser auch richtig jagen und zubeißen. Das Spiel läuft an dem 32-Jährigen vorbei, kommt er mal an den Ball, reiht er Fehlpass an Fehlpass, verliert jedes Kopfballduell, jeden Zweikampf.
Die Partie gegen den 1. FC Nürnberg plätschert so dahin, kaum Torchancen hüben wie drüben, und nichts deutet darauf hin, das gerade Asamoah diesem Spiel eine Wende geben könnte. Doch dann ist er plötzlich da, im Stile dieser Torjäger, die man lange überhaupt nicht wahrnimmt und die dann plötzlich zuschnappen. Eine Ecke, schon in der Nachspielzeit der ersten, ereignisarmen Halbzeit. Der Ball springt Asamoah vor die Füße, eine kurze Drehung und dann wuchtet dieses Kraftpaket das Leder derart vehement zum 1:0 in die Maschen, dass der Nürnberger Torwart Raphael Schäfer froh sein kann, an das Geschoss nicht mehr ranzukommen.
Knapp eine Stunde gespielt, wieder Ecke für die Hamburger. Erneut kommt Asamoah an den Ball, wuchtet ihn mit der Stirn so exakt zu Sturmpartner Ebbers, das dieser keine Mühe mehr hat, das Leder zum 2:1 unter die Latte zu dreschen. Das Millerntor steht Kopf, vergessen der zwischenzeitliche Ausgleich, als Nürnbergs Hegeler die gesamte Hamburger Abwehr düpierte und der freistehende Ekici alle Zeit hatte, das Leder zum 1:1 einzuschieben. Gerade drei Minuten hatte die Hamburger 1:0-Führung gehalten und auch das 2:1 hat nur 180 Sekunden Bestand. Dann zeigt der Gast, dass auch er Ecken treten und Nürnbergs Abwehrspieler Wolf, dass er nicht nur Tore verhindern, sondern auch erzielen kann.
2:2 steht es, als Asamoah nach 74 Minuten ausgepumpt das Feld verlässt und Florian Bruns ihn ersetzt. Und der macht genau da weiter, wo sein Vorgänger aufgehört hat, köpft mit seinem dritten Ballkontakt nach Anspiel von Max Kruse acht Minuten vor dem Spielende zur umjubelten 3:2-Führung ein. Als Referee Gagelmann die Partie abpfeift, hat der FC St. Pauli den ersten Bundesliga-Heimsieg seit März 2002 in der Tasche. Es ist der beste Saisonstart in die Bundesliga, den der Verein je hatte. Er katapultiert das Team ins erste Tabellendrittel.
„Zehn Zentimeter mehr Leidenschaft“ bei den Hamburgern hat Gäste-Trainer Dieter Hecking entdeckt, weshalb der Sieg für den Aufsteiger denn auch in Ordnung ginge. Holger Stanislawski bescheinigt seinem Team „unheimlich viel investiert“ zu haben, um die umkämpfte Partie siegreich zu gestalten, und attestiert seinem Matchwinner Asamoah „eine spezielle Qualität“.
Der Torschütze selbst sieht die Sache so: „Dann kam der Ball und ich hab ihn einfach reingemacht.“ Und der versierte Fan weiß: Dem ist nichts hinzuzufügen. MARCO CARINI