: Kaffee ist Kaffee
Heute ist der erste deutsche Kaffeetag: Besonders in Hamburg und Bremen werden die Röstbohnen durch feierliche Aktionen gewürdigt – obwohl der Markt nur schwach wächst und sich das Produkt nur in Nuancen verändern lässt
VON BENNO SCHIRRMEISTER
Die deutsche Kaffee-Hauptstadt ist – ja was denn nun? Hamburg? Da sind die Umschlagsmengen größer.Bremen? Da sitzen von den fünf wichtigsten Röstereien Deutschlands drei: Jacobs, Marcus und Melitta. „Eine ganz gefährliche Frage“ sei das, weicht der freundliche Herr vom deutschen Kaffeeverband aus und behauptet, dass womöglich sogar Berlin Ansprüche stellen könne, „schließlich gibt es dort eine der größten Instantkaffee-Fabriken Europas“.
Brrrr. Instant-Kaffee. Berlin. Vielleicht anders fragen: Wozu braucht Deutschland einen Kaffeetag? „Ähem“, sagt der Herr vom Kaffeeverband. Ist nicht jeden Tag Kaffeetag – die mit Magen-Darm-Infekt einmal ausgenommen? Immerhin ist die schwarze Suppe mit 144 Litern jährlich pro Kehle der Deutschen liebstes Getränk, schlägt Mineralwasser um Längen und muss also nicht erst neu eingeführt werden und…,
„Nein“, sagt da der Herr vom Kaffeeverband, „wir wollen den Kaffee feiern und über Kaffee informieren“, schließlich gebe es jede Menge Menschen, die nicht wissen wie Kaffee hergestellt wird. Verarbeitet wird er auch von einer ganzen Menge Menschen: 10.000 bundesweit, „die Verkäufer an der Kaffeetheke nicht mitgerechnet.“
Und die meisten von ihnen, wo arbeiten die? „In Norddeutschland, ganz klar.“ Die einen in Hamburg. Und die anderen in Bremen. Sorgen für vier Milliarden Euro Umsatz. Gewinnen aus 503.000 Tonnen Roh- 387.000 Tonnen Röst- und 16.500 Tonnen löslichen Kaffee. Tendenz: Steigend.
Kaffee wächst nicht in Deutschland und vielleicht gibt es deshalb kein unverkrampftes Synonym für das aus den Steinfrüchten der arabica- und der robusta-Art der Rötegewächse gewonnene Heißgetränk: Kaffee ist Kaffee. 800 Aromastoffe enthält er, 700 sind identifiziert und keiner lässt sich richtig überzeugend beschreiben. Außerdem ist Kaffee ein konservatives Produkt. Also relativ designresistent. „Nehmen Sie zum Beispiel Joghurt“, sagt Michael Müller, der, in der Kaffestadt Hamburg beheimatet, in der Kaffeestadt Bremen arbeitet, „da gibt es Geschmäcker wie Zupfkuchen oder Keks.“ So etwas, sagt der Marketing-Leiter bei Melitta Röstkaffee, sei für Kaffee völlig undenkbar. „Nachgefragt wird das Naturprodukt.“
Trotzdem ist der Markt in Bewegung. Da gibt es einerseits die Entwicklung von Kaffeevollautomaten, die die Bohnen mahlen und aufbrühen und portionsweise abgeben. Und das, was Müller „die Lattemacchiatisierung der Kaffeekultur“ nennt. Darauf muss man reagieren, zumal der Markt als wachstumsschwach gilt. Haben die großen auch, Jacobs und Dallmayr wenigstens. Während Melitta, seit deren Erfindung untrennbar mit der Filtertüte verbunden, sich anfangs etwas schwer tat, und man sich nicht sicher war, ob die Kunden das der Marke zutrauen. Also hat man Gespräche geführt, und probiert und anschließend eine Produkt-Familie entwickelt, deren jüngstes Mitglied wiederum eine Neuerung auf dem Markt ist, nämlich „ein Vollautomatenkaffee, der aufgrund seiner Zusammensetzung besonders geeignet für Milchgetränke ist“.
Ein kleiner Schritt? Scheint so. Aber: Das Produkt ist jetzt seit gut einem halben Jahr auf dem Markt, läuft erfolgreich und noch haben die anderen nicht nachgezogen – was eine Ahnung davon vermittelt, dass auch eine Nuance sich in Sachen Kaffee schwer nachvollziehen lässt. Weil sie, in Geschmacksfragen, entscheidend ist.