AMERICAN PIE
: Ausstieg verpasst

BASKETBALL Allen Iverson und Shaquille O’Neal sind nur noch Abziehbilder ihrer selbst. Schluss machen sie aber noch lange nicht

Im Jahr 2000 kündigte O’Neal – damals 28 – an: „In drei, vier Jahren ist Schluss“

Allen Iverson war zeit seiner NBA-Karriere nie der Einfachste. Unvergessen sein Auftritt auf einer Pressekonferenz 2002, als er sich etwas ungewöhnlich für verpasste Trainingseinheiten bei den Philadelphia 76ers zu rechtfertigen versuchte: „Ich meine, wir reden hier über Training. Ich bin der wichtigste Spieler der Mannschaft, und wir unterhalten uns über das Training.“

Trotz aller extravaganten Extravaganzen des 1,83-Meter-Mannes ist die Fangemeinde von „the Answer“ noch immer beträchtlich – schließlich gilt Iverson als einer der besten Spieler aller Zeiten, als zukünftiges Hall-of-Fame-Mitglied. Doch gerade solche Momente wie in ebenjener Pressekonferenz werden dem mittlerweile 35-Jährigen eine neue Anstellung in der NBA verbaut haben – nach 14 Karrierejahren fand Iverson im Sommer keinen neuen Klub. Stattdessen meldeten sich Vereine aus der Türkei und China. Besiktas Istanbul soll kurz vor einem Abschluss mit dem Spieler stehen, der 2001 zum besten Akteur der NBA gewählt wurde.

Als Fan man schlägt die Hände über dem Kopf zusammen ob der Unfähigkeit seiner einstigen Idole, zum richtigen Zeitpunkt die Basketballstiefel endgültig in den Spind zu hängen.

Was hat es eine Legende wie Iverson nötig, als Zirkusattraktion in Europa oder Asien zu versauern? Titel spielen da gewiss keine Rolle – eine größere Auszeichnung als die monströse Larry-O’Brien-Trophy, die der NBA-Champion in die Höhe strecken darf, gibt es nicht, auch wenn Iverson das nie gelang. Ist es wirklich das Geld, das den Ausschlag gibt pro eigene Denkmalsbeschädigung – obwohl die fähigsten NBA-Granden selbst für die meisten Fußballer unerreichbare Summen auf ihre Konten überwiesen bekommen? Oder ist es schlicht und einfach das Minus an öffentlicher Aufmerksamkeit, das vielen die Schweißperlen auf die Stirn treibt? Ein Iverson lebte auch von seinem Image des coolen Einzelkämpfers, des tätowierten, Baggy-Jeans tragenden Hip-Hop-Basketballers, das Sponsoren und Medien von ihm zeichneten.

Auch Shaquille O’Neal, nunmehr 38 Jahre alt, wird mehr und mehr zur tragischen Figur. Auch „Shaq“ wurde zum ligabesten Spieler gewählt, gewann gar vier Meisterschaften als wahlweise alles überragender oder alles niederwalzender Schlüsselspieler der Los Angeles Lakers und der Miami Heat. Noch im Jahr 2000 kündigte O’Neal – damals 28 – an: „In drei, vier Jahren ist Schluss.“ Aus dieser Zeitangabe ist nunmehr fast das Dreifache geworden, der 150-kg-Koloss geht mittlerweile in seine 19. Spielzeit. Sportlich kann er längst nicht mehr an vergangene Glanzzeiten anknüpfen – was sich auch in der doch beträchtlichen Anzahl an Vereinswechseln in jüngster Zeit ablesen lässt: Seit 2007 nahmen die Phoenix Suns, die Cleveland Cavaliers und nun die Boston Celtics seine Center-Dienste in Anspruch.

So kommen zwei weitere Jahre zur Shaq-Karriere hinzu, ehe dann endgültig Schluss sein soll. Den Neuengländern soll er das fehlende Puzzleteil zur erneuten Meisterschaft sein – nicht mehr als Aushängeschild, viel mehr als Ergänzung zum bestehenden und hochkarätig besetzten Kader. „Ich bin noch immer titelhungrig, ich habe es immer noch drauf“, brummte O’Neal mit gewohntem Selbstvertrauen bei seiner Vorstellung in Boston in die Reporter-Mikrofone.

Ein Fan blättert da besser durch alte Basketball-Magazine, schaut auf Sammelkarten und spielt in Videospielen die besten Zeiten eines Iverson oder O’Neal nach. Eine andere Wahl lassen sie ihm nicht. DAVID DIGILI