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Meeresbrise wird zu Ökostrom

Windräder auf dem Meer versprechen riesige Erträge. Doch trotz vieler Planungen wurde in Deutschland noch kein Offshore-Windpark realisiert. Ein Pilotprojekt soll die Technik nun vorantreiben. Umweltschützer sind sich in der Bewertung uneins

VON CHRISTIAN HONNENS

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat am Montag den Startschuss für den großtechnischen Ausbau der Windenergie auf hoher See gegeben. Bis 2008 sollen in einem Testfeld vor der Nordseeinsel Borkum für 175 Millionen Euro erstmals zwölf Offshore-Anlagen in der deutschen Nordsee entstehen. Sie sollen von der Stiftung Offshore-Windenergie betrieben werden, an der neben Energieversorgern wie Eon und Vattenfall auch Anlagenbauer beteiligt sind. Umweltverbände reagierten gespalten auf die Testanlage. Während die Umweltschutzorganisation Greenpeace nun Genehmigungen für weitere Anlagen wünscht, fordert der World Wide Fund for Nature (WWF) ein Moratorium, bis alle Umweltrisiken der Windräder erforscht seien.

„Das Projekt ist die Grundlage für die kommerzielle Windenergienutzung auf See nach 2008“, sagte Gabriel. Sein Ministerium finanziert die Begleitforschung in der fünfjährigen Testphase des Projektes mit bis 10 Millionen Euro pro Jahr. Sie soll dabei helfen, ausreichend widerstandsfähige Anlagen zu konstruieren. Denn die Fünf-Megawatt-Anlagen sind dem Wind und dem Salz in der Luft noch stärker ausgesetzt als Anlagen an Land. Außerdem soll die Begleitforschung Auswirkungen der Offshore-Windparks auf Fischerei, Schifffahrt und Tourismus untersuchen. Auch die Wirkungen auf Meeresboden, Säuger wie Wale oder Delphin und den Vogelzug sollen erforscht werden. Wie die Gelder verteilt werden, konnte auch das Umweltministerium nicht beziffern.

Umweltverbände sind sich offenbar nicht einig, wie sie das Pilotprojekt bewerten sollen. Während Greenpeace der Ausbau der Offshore-Windparks nicht schnell genug geht, warnt der WWF, deren ökologische Konsequenzen seien noch nicht absehbar. „Es ist wichtig, kommt aber leider viel zu spät“, sagte Greenpeace-Energieexperte Jörn Feddern der taz. Schließlich spiele Windenergie in den Klimazielen der Bundesregierung eine große Rolle. Nach den Aufbauszenarien der alten Regierung hätten schon heute Anlagen in der Größe von 500 Megawatt stehen sollen. Mit dem Offshore-Pilotprojekt werden davon gerade einmal 60 Megawatt realisiert. „Wegen hoher Genehmigungsauflagen und Investitionskosten sind deshalb weitere Anschubhilfen notwendig“, fordert Feddern. Denn die Anlagen in Deutschland hätten besonders hohe Investitionskosten, weil sie nur weit vor den Küsten gebaut werden dürften.

Mit Blick auf die Begleitforschung hofft Feddern, dass andere schon genehmigte Offshoreprojekte nicht verzögert werden, weil die Ergebnisse abgewartet werden. Genau das fordert jedoch die Umweltstiftung WWF. Ihrer Meinung nach sollten Windparks auf See erst genehmigt werden, wenn genügend Informationen über deren Umweltrisiken vorliegen. „Das wäre ein ökologisch verantwortungsvoller Ausbau der Windenergie“, sagte Hans-Ullrich Rösner, Leiter des WWF-Wattenmeerbüros in Husum, der taz. Doch für ein Moratorium gibt es bisher keine Anzeichen. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie hat bisher 15 Windparks in Nord- und Ostsee bewilligt. Für weitere 38 Offshore-Windkraftwerke und Kabeltrassen laufen die Genehmigungsverfahren.

Trotz der grundsätzlichen Kritik am Ausbau der Offshore-Windenergie begrüßt der WWF die ökologische Begleitforschung. „Nach wie vor bestehen Forschungsdefizite, gerade im Bereich Vogelzug“, sagte Hans-Ullrich Rösner, Leiter des Wattenmeerbüros. Allein 100 Millionen Singvögel fliegen auf ihren Wanderungen über die Nordsee. Davon werde wohl ein Teil durch die Rotoren der Anlagen „abgeschöpft“.

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