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Archiv-Artikel

Schießbefehl von ganz oben

UKRAINE Regierung: Abgesetzter Präsident Janukowitsch für tödliche Angriffe auf Demonstranten verantwortlich. 12 Mitglieder von Polizei-Sondereinheit festgenommen

KIEW/BERLIN afp/taz | Die ukrainische Übergangsregierung macht ihre abgesetzten Vorgänger und Russlands Geheimdienst für das Blutvergießen auf dem Maidan in Kiew verantwortlich. Die tödlichen Schüsse vor sechs Wochen seien vom inzwischen entmachteten prorussischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch angeordnet worden, heißt es in einem am Donnerstag vorgelegten Zwischenbericht.

„Janukowitsch hat den kriminellen Befehl erteilt“, sagte der ukrainische Interimsinnenminister Arsen Awakow. Agenten des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB hätten geholfen „bei der Planung und Umsetzung der sogenannten Anti-Terror-Operation“. Dies wurde aus Moskau umgehend dementiert, wenn auch nur indirekt: „Mögen diese Anschuldigungen auf dem Gewissen des ukrainischen Sicherheitsdiensts lasten“, sagte ein FSB-Sprecher laut der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Die dreimonatigen Proteste gegen Janukowitsch waren vom 18. bis zum 20. Februar eskaliert. Auf dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum Kiews wurden fast 90 Menschen getötet. Viele der Leichen wiesen Schusswunden auf, die auf Scharfschützen hindeuteten. Die Regierungsgegner machten Janukowitsch für die Toten verantwortlich. Am 22. Februar wurde er gestürzt. Unabhängige Erkenntnisse zu den Tätern und ihren Motiven liegen bislang aber nicht vor.

Laut ukrainischer Generalstaatsanwaltschaft wurden am Mittwoch 12 Verdächtige der „Schwarzen Einheit“ festgenommen – einer Spezialeinheit der mittlerweile aufgelösten Bereitschaftspolizei Berkut. Diese hätten in Vernehmungen ausgesagt, nur Waffen an Berkut-Mitglieder verteilt zu haben, damit sich diese gegen Angriffe von Demonstranten wehren könnten. „Aber wir glauben ihnen nicht“, sagte Vizegeneralstaatsanwalt Olexi Baganez. Angaben des Chefs des ukrainischen Geheimdienstes SBU, Valentin Haliwajtschenko, zufolge, sollen einige Berkut-Polizisten, die auf die Demonstranten geschossen hätten, auf der Krim untergetaucht sein.

Fragen bleiben dennoch: So hatte Estlands Außenminister Urmas Paet in einem publik gewordenen Telefonat mit EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton den Verdacht geäußert, radikale Oppositionskräfte könnten in die Todesschüsse verwickelt gewesen sein, um die Proteste weiter anzuheizen. Auch der Europarat forderte eine neutrale Aufklärung. Russland beschuldigte seinerseits ultranationalistische Kräfte, das Feuer auf Polizisten eröffnet zu haben, um eine Eskalation und damit Janukowitschs Abgang zu provozieren.