: Charité: Schwester tötet Patienten
Die 54-Jährige gesteht, an dem Universitätsklinikum zwei Schwerstkranke getötet zu haben. Weitere Todesfälle werden noch untersucht. Die Taten könnten eine neue Debatte über Sterbehilfe anregen
VON UWE RADA
Nach der Festnahme einer Krankenschwester an der Charité kommt auf Berlin eine neue Diskussion über Sterbehilfe zu. Wie die Staatsanwaltschaft gestern mitteilte, wird die 54-Jährige verdächtigt, zwei Patienten auf der kardiologischen Abteilung der Klinik getötet zu haben. In einer ersten Vernehmung habe die Beschuldigte „den äußeren Geschehensablauf“ eingeräumt, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Was die Frau zu den Taten bewogen habe, sei Gegenstand der weiteren Ermittlungen. Außerdem gibt es Ermittlungen zu einem dritten Todesfall.
Auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz schilderte gestern der Direktor der Klinik für Inneres, Gert Baumann, den Ablauf des Geschehens. Mitarbeiter hätten ihn am Mittwoch auf die Todesfälle aufmerksam gemacht. In beiden Fällen, so Baumann, habe es sich um einen „untypischen Ablauf von Patientenkarrieren“ gehandelt. Die Klinikleitung hat daraufhin die Kriminalpolizei benachrichtigt, die die beschuldigte Krankenschwester in der Nacht auf Donnerstag verhaftete. Die beiden Patienten im Alter von 62 und 77 Jahren waren Mitte August und Anfang Oktober gestorben.
Was den Verdacht einer aktiven Sterbehilfe nahelegt, ist die ausweglose Situation der beiden Patienten, die auf der Intensivstation der Kardiologie auf ihren Tod warteten. Laut Baumann hat es sich bei beiden um schwerstkranke und sedierte Patienten gehandelt, die an Herzinsuffizienz litten. Eine „Therapieeskalation“ wäre nicht mehr in Frage gekommen, so Baumann. „Beide wären wohl binnen zwei Wochen gestorben.“ Allerdings wären sie aufgrund ihres Krankeitsbildes schmerzfrei gewesen. Bei dem verabreichten Medikament handelte es sich um das blutdrucksenkende Mittel Nitroprussidnatrium, das bei hoher Dosierung unmittelbar zum Tode führt. „Beide Patienten sind auf der Stelle eingeschlafen.“
Die beschuldigte Krankenschwester arbeitete nach Klinikangaben seit zehn Jahren auf der Station. Klinikleiter Baumann sagte gestern, er habe die Schwester „sehr geschätzt“. Die Patienten hätten sich bei ihr „in bester Obhut gefühlt“. Er selbst wolle, wenn es die Staatsanwaltschaft erlaube, baldmöglichst Kontakt zu ihr aufnehmen. „Ich will sie dazu bewegen, ein umfassendes Geständnis abzulegen“, sagte er sichtlich bewegt.
Über die Motive der Tat wollte sich Baumann allerdings nicht äußern. Das sei Sache der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Der Leiter der Pflegeabteilung der Charité, Helmut Schüttler, sagte allerdings, es sei es üblich, dass es mit dem Pflegepersonal von Schwerstkranken regelmäßig Teambesprechungen gebe. „Damit soll der seelische Druck verringert werden zwischen dem, was das Pflegepersonal tun muss, und dem, was die Patienten mitunter wünschen.“ Über Sterbehilfe, versicherte er, habe die Beschuldigte in der Vergangenheit nicht gesprochen.
Unterdessen wurde für die Leiche des im Oktober verstorbenen Mannes die sofortige Obduktion angeordnet. Der im August Verstorbene kann nicht mehr obduziert werden, weil er feuerbestattet wurde. Die Leiche eines dritten Patienten, der ebenfalls in einer Schicht der Beschuldigten verstorben war, wurde gestern ebenfalls obduziert. Eine eindeutige Todesursache könne aber erst nach Abschluss der erforderlichen chemisch-toxikologischen Untersuchungen festgestellt werden, sagte ein Justizsprecher. Laut Charité werde allen Todesfällen nachgegangen, die in den letzten zehn Jahren auf der betroffenen Station aufgetreten sind.