„War is over! If you want it!“

Heute wäre John Lennon 66 Jahre alt geworden. Obwohl verstorben, taugt er noch immer als Kronzeuge gegen das Establishment. Eine neue Doku feiert ihn als politischen Aktivisten

VON NOEL RADEMACHER

„War is over! If you want it.“ Seit einigen Wochen ziert diese berühmte Parole wieder Häuserwände in New York und Los Angeles. Es sind die gleichen Plakate, mit denen John Lennon und Yoko Ono vor mehr als 35 Jahren weltweit gegen den Vietnamkrieg protestierten. Aber es gibt wohl heute kaum jemanden in Amerika, der bei ihrem Anblick nicht auch an den Irakkrieg denkt. Geworben wird damit für den Filmstart von „The U.S. vs. John Lennon“, einem neuen Dokumentarfilm, der den schmutzigen Kampf der Regierung Nixon gegen den Ex-Beatle und Friedensaktivisten zum Thema macht. Von den Gegnern der Bush-Administration wird er als Parabel gesehen – auf die aktuellen Zustände im Land.

„Okay, Flowerpower hat also nicht funktioniert“, sagt John Lennon in der Eröffnungsszene des Films von der Bühne: „Apathie bringt’s auch nicht. Wir können etwas tun.“

Es ist Dezember 1971, wir befinden uns in der Crisler Arena in Ann Arbor, Michigan. Gemeinsam mit Yoko Ono tritt er auf einem Benefizkonzert für John Sinclair auf, einem Kriegsgegner, der zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war, weil er zwei Joints an einen getarnten Polizisten verkauft hatte.

Das FBI im Publikum

Diese Szene symbolisiert den Moment, an dem Lennon die Rolle des Popstars gegen die des politischen Aktivisten eintauscht. Einige Wochen zuvor hatte Lennon seinem Heimatland den Rücken gekehrt und sich der US-Antikriegsbewegung um Jerry Rubin and Abbie Hoffman angeschlossen. Erst 25 Jahre später wird bekannt, dass bei diesem Konzert auch zwei Agenten des FBI anwesend waren.

Die Nachricht, dass der weltberühmte Ex-Beatle seine Popularität in den Dienst der amerikanischen Antikriegsbewegung stellte, alarmierte die Regierung Nixon, die sich zu diesem Zeitpunkt im Kampf um ihre Wiederwahl befand. Als Lennon sich anschickte, auf einer Protestkundgebung während des Parteitages der Republikaner aufzutreten, kam von ganz oben die Anordnung, ihn politisch zu „neutralisieren“.

Man setzte ihn unter Druck, indem man ihn observieren ließ und sein Telefon anzapfte. „Er war eine Berühmtheit, und deshalb wurde jeder seiner Schritte überwacht“, gibt der ehemalige Handlanger Nixons, Gordon Liddy, im Film ohne erkennbare Reue zu Protokoll. Als Nixon seine Wiederwahl gesichert hatte, endet auch die Observierung Lennons.

All diese Informationen sind nicht neu. Sie basieren weitgehend auf den Akten des FBI, die bereits in den 90er-Jahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden – damals allerdings, ohne besonderes Aufsehen zu erregen. Erst heute, im Zeichen des Anti-Terror-Krieges und der Einschränkung der Bürgerrechte durch die Regierung Bush hat das Thema an Aktualität gewonnen.

So aktuell wie damals

So ist es kein Zufall, dass der Film gerade jetzt ins Kino kommt: Erst in letzter Zeit begannen sich die Produzenten und Geldgeber für das Projekt zu interessieren, erzählen die Regisseure David Leaf und John Scheinfeld: „Sie witterten, dass diese Geschichte über lange zurückliegende Ereignisse heute noch Relevanz hat.“

Die Reaktionen zeigen, dass das Timing stimmt und der Film einen Nerv trifft – obwohl er eher die Qualität einer Fernsehproduktion besitzt. Somit ist die Doku ein weiteres Beispiel dafür, wie die Linke in Amerika den Dokumentarfilm als politische Waffe zu nutzen gelernt hat. Der Erfolg von Filmen wie Michel Moores „Fahrenheit 9/11“ gab hierfür die Vorlage.

Es ist kein Zufall, das „The U.S. vs. John Lennon“ vom selben Studio produziert wurde. Das Anliegen ist offensichtlich: Die Verfassungsbrüche der Regierung Nixon dienen als Aufforderung, den aktuellen Abbau von Freiheitsrechten nicht widerspruchslos hinzunehmen. Zu diesem Zweck kommen nicht nur die politischen Weggefährten Lennons zu Wort, sondern auch die profiliertesten Köpfe der heutigen amerikanischen Linken, wie Noam Chomsky und Gore Vidal. Letzterem kommt im Film die Aufgabe zu, die von den Regisseuren gewollte Analogie auf den Punkt zu bringen: „John Lennon steht für das Leben, Nixon und Bush für den Tod.“