piwik no script img

Archiv-Artikel

… DIE BVG? Ästheten quälen

Von CLP

Es sind nur ein paar Millimeter. Ein paar Millimeter weiße Druckfarbe auf transparenter Folie. Aber sie wiederholen sich, zigtausendfach. Und sie sind falsch. Als feinfühliger Mensch hält man das kaum aus.

Wer wie viele taz-Leser Tag für Tag per ÖPNV unterwegs ist, hat das Bild sofort erkannt: das stilisierte Brandenburger Tor, mit dem die BVG seit 2009 U-Bahn-Fenster verkleistert. „Schutzfolie“ nennt das Unternehmen sein Wundermittel gegen vandalisierendes Scheibenscratching.

Die hoch, runter und rüber aufgedruckten Tore nerven. Sollen sie ja auch, sagt die BVG – jedenfalls jene Jugendlichen, die jetzt vor lauter Wahrzeichen gar nicht mehr wissen, wo sie das Schabewerkzeug ansetzen sollen. Alle anderen Fahrgäste leiden freilich kaum weniger unter der Tapete als unter den so hirn- wie stillosen Kratzspuren. Vor allem jene, die sich seinerzeit im Kunstunterricht große Mühe mit der Zentralperspektive gegeben haben und jetzt auf diese Säule starren müssen, die zweite von links, die falsch gezeichnete.

Zur Erklärung: Der das untere Ende der zweiten Säule von links begrenzende Strich müsste waagerecht verlaufen, der kurze Strich rechts daneben, der die Unterkante der Tor-Innenfläche – also der Laibung – darstellt, müsste in einem Winkel von circa 30 Grad nach rechts oben ansteigen. Wer verdient eigentlich sein Geld damit, perspektivisch krumme Logos für Antikratzfolien zu zeichnen? Fehlt es dieser Stadt etwa an Künstlern? Architekten? Nein? Na also.

„Was soll die Aufregung?“, fragt der Kollege. „Ist doch niedlich: Das Brandenburger Tor hebt sein Füßchen.“ Eine leider für jeden echten Ästheten unbefriedigende Interpretation. CLP