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Archiv-Artikel

Demnächst in der Hasenschule

Valérie Favre, die gerade eine Professur an der UdK erhalten hat, malt sich selbst gern als große Häsin, in Pin-up-Pose und auf dem Denkmalsockel. In ihrer Ausstellung „Der dritte Bruder Grimm“ im Haus am Waldsee spielt sie mit Positionen am Rand

VON ANNE KRAUME

Fast sieht es so aus, als habe Valérie Favre in ihren Triptychen „James Blonde“ und „Parking“ schon den Ort vorweggenommen, an dem diese Bilder jetzt ausgestellt werden: Auf beiden Bildern ist Grün die beherrschende Farbe, einmal bläulich, einmal eher in Gelb changierend. Wiesen und Bäume, Wasserflächen und grünlichgraue Wolken am Himmel gehen ineinander über und scheinen zu verschwimmen. Davor heben sich architektonisch verschachtelte Holzhauskonstruktionen und perspektivisch verzerrte Fabelwesen ab, vielleicht halb Pferd, halb Mensch – vielleicht aber auch einfach Menschen, die sich als Pferd verkleidet haben.

Wenn man im Haus am Waldsee aus dem Fenster blickt, verschwimmen auch dort Grünschattierungen, Rasen und Bäume, deren Umrisse sich vor dem frühherbstlichen Himmel auflösen, und das flaschengrüne Wasser des Waldsees, der bewegungslos die Summe aus all dem Grün zu sein scheint. Aber dennoch: Wo der stille Garten einfach klar und beschaulich ist, da wirken Valérie Favres seltsam verzauberte Wälder geheimnisvoll und sogar unheimlich. Was zuerst beruhigend wie ein Garten schien, das kippt ins Rätselhafte und gar Bedrohliche, Denn diese Bilder wollen hinüberspielen in eine andere Bewusstseinsebene, irgendwo zwischen Wachsein und Träumen.

„Der dritte Bruder Grimm“ – diesen Titel trägt nicht nur ein 2004 begonnener und fortlaufender Zyklus, aus dem die beschriebenen Triptychen stammen, sondern die ganze Ausstellung. Einen dritten Bruder Grimm hat es tatsächlich gegeben, und auch er hat geschrieben. Mit dem Titel ihres Zyklus verweist Favre so nicht nur auf die Erzähltradition der Märchen, die der Name Grimm immer evoziert, sondern auch auf die prekäre Situation dieses dritten Bruders im Schatten der erfolgreichen Geschwister: Von seiner Randposition aus werden festgeschriebene Traditionen zweifelhaft und scheinbar klare Konturen verschwimmen.

Die Ausstellung von Valérie Favre im Haus am Waldsee ist Teil der großen Initiative „Art France Berlin“, die mit Unterstützung der französischen Botschaft Künstler aus Frankreich in Galerien und Museen der Stadt vorstellt. Valérie Favre, die ab diesem Semester eine Professur an der Universität der Künste hat, ist allerdings Schweizerin, 1959 geboren; sie wurde aber in den Achtziger- und Neunzigerjahren in Paris mit ihren Zyklen der Malerei bekannt und diskutiert. Sie schreibt in ihnen immer wieder Erzählungen fort, ohne sich aber auf eindeutige Abfolgen und klare Kausalitäten einzulassen. Stattdessen stellt sie Bildelemente nebeneinander – zum Teil ganz eigene, traumartige, zum Teil aber auch solche, die aus einem ebenso aktuellen wie allgemein bekannten Bildervorrat zu stammen scheinen.

So erinnert ihre Alter-Ego-Figur Lapine Univers, in der sich Favre seit 1999 immer wieder als hybride Frauengestalt mit langen Hasenohren darstellt, an eine Comicfigur, ein Pin-up-Girl und auch an die triumphierende Frauengestalt, die im Firmenlogo der Columbia Pictures auf einem Sockel steht. Die Lapine Univers wird so nicht nur zum ironischen Selbstbild, sondern auch zu einer Art medientheoretischer Reflexionsfigur. Die Rolle der Künstlerin in einer Pose der Selbstermächtigung findet sich schon in dem Namen „Lapine Univers“ reflektiert: „La Pine“, das kann im französischen Wortspiel eben auch der Pinsel als ein weiblicher Penis in der Hand der Malerin sein.

In ihrer seriellen Arbeit greift Valérie Favre so immer wieder lose Enden auf, stellt neue Bezüge her und verknüpft sie miteinander. Valérie Favre habe sich nie einfach unreflektiert „in einen Erfolg hineinmalen“ wollen, sagt Katja Blomberg, Leiterin des Hauses am Waldsee und Kuratorin der Ausstellung, und zieht damit eine Grenze zum Malereiboom der letzten Jahre. Mit dem Bild vom dritten Bruder Grimm, der ein bisschen abseits steht, um die Dinge zu betrachten, mag ihre Position deshalb tatsächlich – und trotz aller gezielten Stilisierung – ganz gut beschrieben sein.

Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, tgl. 10–18 Uhr, bis 26. November