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Archiv-Artikel

„Wir sind Kunsthändler, nur gutartig“

KUNSTVERSCHENKER Für eine kurze Ausstellung in Hamburg hat das Projekt Papergirl Kunst aller Art gesammelt, nur rollbar musste sie sein. Anschließend wird sie per Rad unter die Leute gebracht – kostenlos

Marcel Mathein

■ 23, macht die Zeitplanung von Papergirl. Seine WG in einer Altonaer Schokoladenfabrik ist das Hauptquartier.

taz: Marcel Mathein, Falco Richter, würden Sie sich als Kuratoren bezeichnen?

Marcel Mathein: Nö. Dieses ist unser Pilotprojekt.

Falco Richter: Mit Papergirl feiern wir vor allem die Kunst. In erster Linie wollten wir beide Spaß daran haben. Und mit Kunst zu tun haben und denen, die Kunst lieb haben. Vor allem die, die nicht überall hängt. Papergirl ist ein freies und offenes Kunstprojekt. Wir sammeln Kunst nur für den Zweck, sie per Fahrrad zu verteilen.

An wen?

Mathein: Die Empfänger werden zufällig ausgewählt. Wir versuchen, keine Barrieren zu bauen zwischen Künstler und dem, der es sich anguckt. Die Übergabe findet ja auf der Straße statt.

Was sind das denn für Barrieren?

Mathein: Die Überwindung, in ein Museum zu gehen, zum Beispiel.

Richter: Papergirl ist quasi Open Source und bricht so mit den tradierten Ausstellungskonzepten. Damit ist es unbeschränkt. Es ist eine Gruppenausstellung für jeden. Wir sind dann Kunsthändler, nur ohne Geld. Also gutartig.

Und nach welchen Gesichtspunkten haben Sie die Kunstwerke ausgesucht?

Richter: Wir selektieren nicht. Wir wollen alles zeigen und am Ende hauen wir alles raus.

Mathein: Das Projekt ist offen für jede Art von Kunst. Mit der Einschränkung, dass ein Bild rollbar ist. Aber jede Form, jeder Stil, jede Art, ob Fotografie, Malerei oder Druck, ist erlaubt. Die Sachen, die eingehen, werden dokumentiert und fotografiert. Wir stellen sie dann für etwa zwei Wochen aus. Das ist zwar eine sehr kurze Zeitspanne, aber wir haben ja ein Internetarchiv. Und danach werden wir die Bilder dann verteilen.

Per Fahrrad?

Falco Richter

■ 24, stammt aus Kassel. Er ist selbst auch künstlerisch tätig und sprüht, wenn auch „nur für den Hausgebrauch“.

Richter: Ja. Es sollten schon so zehn Leute zum Austeilen zusammenkommen. Die einzelnen Rollen bestehen aus mehreren Kunstwerken, ein Bild allein wäre zu dünn. Und dann kommt eine Banderole darum mit ein paar Informationen und unserem Logo. Damit die Leute wissen, was das soll. Vielleicht fahren wir auch nur zu zweit, wer weiß.

Mathein: Nun mach’ das mal nicht schlecht. Das wird auf jeden Fall eine nette Fahrradtour.

Wohin führt die?

Mathein: Die Frage ist, wen wir erreichen wollen. Die, die Kunst schon kennen, oder jene, die damit nie in Kontakt kommen.

Falco: Das ist aber auch ein logistisches Problem. Wir sollten schon relativ dicht von der Galerie losfahren. Unsere bevorzugten Stadtteile sind deswegen St. Pauli oder Altona.

Die Route steht noch nicht fest?

Richter: Nein, das wird sonst schwierig. Das Austeilen erfolgt immer spontan. Das wird immer kurz vorher verkündet, damit sich nicht schon welche an die Straße stellen, um eine Rolle zu fangen. Die Leute warten immer schon ganz gibberig da drauf. Aber das ist ja nicht Zweck des Projektes.

Aber in Altona haben Sie ja ein Publikum, das den Umgang mit Kunst eher gewohnt ist.

Richter: Das stimmt. Aber so oder so: Wir pflegen den Kontakt mit der Stadt. Wir sind neugierig, wer sich das anguckt und wie die Reaktionen so sind.

Das ist Papergirl

Das Projekt Papergirl wurde 2006 in Berlin initiiert. Im vergangenen Sommer fand es zum dort zum vorerst letzten Mal statt. Die Kunstwerke hingen dann für zwei Wochen in der Galerie Neurotitan.

■ Nicht nur Künstler sind angesprochen, jeder kann Malereien, Grafiken, Drucke oder andere Kunstwerke einreichen. Nur rollbar müssen die Werke sein.

■ Am Ende der Ausstellung werden die Exponate vom Fahrrad aus verteilt. Die Empfänger sind dadurch zufällig gewählt.

■ Zu sehen sind die Stücke des Hamburger Papergirl-Projektes noch bis zum 13. 11. in der Galerie Kupferdiebe im Gängeviertel. DEB

Mathein: Ja, das ist für mich eigentlich das Wichtigste an dem Projekt. Menschen kennen zu lernen und sich mit ihnen auszutauschen.

Und wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?

Richter: Wir studieren gemeinsam Stadtplanung. Ich habe meine Bachelorarbeit über urbane Kunst geschrieben. Das hat ja viel mit dem Stadtbild zu tun.

Mathein: Und ich interessiere mich generell für die kulturelle Nutzung der Stadt als Raum. Richter: Die Idee für das Projekt stammt eigentlich aus Berlin. Wir haben die Entwicklung dort in den letzten fünf Jahren beobachtet und wollten das in Hamburg fortführen. INTERVIEW: DEBORAH LÖFFLER