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Archiv-Artikel

Sehnsucht nach der weiten Welt

WASSER Die nackten Beine im feinen Elbsand – oder mal eben in die Spree spucken?

Als Berliner fühle ich mich Hamburg ganz besonders verbunden. Wenn ich in die Spree spucke, denke ich manchmal, landet ein Stück von mir unweigerlich im Hamburger Hafen. Schließlich ist die Hauptstadt über Spree, Havel und Elbe mit der Hafenstadt verbunden. Und Flüsseverbindungen, das weiß ich als Flussautor, sind manchmal stabiler als Landwege.

In Hamburg aber geht es mir anders. Immer wenn ich in Övelgönne an der Strandperle sitze, die nackten Beine im feinen Elbsand, und auf die Containerschiffe gucke, vergesse ich Berlin. In die große ferne Welt gehen meine Gedanken dann und nicht nach Hause. Die frage ist bloß: Was sagt das über die Elbe und was über die Spree?

Mit der Elbe verbunden bin nicht nur als Berliner, sondern auch über meine Familie. Ein Großteil lebte an der oberen Elbe. Mein Opa ging in Hohenelbe/Vrchlábi zur Schule, mein Großonkel war tschechischer Elbschiffer. 1948, nach dem kommunistischen Putsch in der Tschechoslowakei, hat er sogar einen Politiker auf seinem Elbkahn nach Hamburg gebracht und so vor einem Schauprozess bewahrt.

War das der Grund, warum es mich immer auch nach Hamburg zog? An die Strandperle, aber auch auf den Altonaer Balkon – und immer wieder an den Moldauhafen, dieses Stück Tschechien im Hamburger Freihafen?

Ich habe nämlich eine Mission. In Hamburg, heißt es manchmal, komme die Elbe vom Meer. Das hat vor allem mit Ebbe und Flut zu tun, ist aber Quatsch. Kapiert es endlich, denke ich dann, dass die Elbe aus dem Riesengebirge kommt. Früher gab es nicht nur Containerschiffe im Hamburger Hafen, sondern auch Binnenschiffer. Mein Großonkel mit seinem Kahn CSPL 346 war einer davon.

Blöd nur, dass ich bei meiner kleinen Mission zwar an die Heimat meiner Familie denke, aber nicht an meine eigene: Berlin. Aber das hat wohl einen einzigen Grund. Im Vergleich zur Elbe ist die Spree ein Nebenfluss der Geschichte. Auch wenn Berlin doppelt so viele Einwohner hat wie Hamburg. UWE RADA

■ Von Uwe Rada erschien bei Siedler: „Die Elbe. Europas Geschichte im Fluss“