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swb dreht Familie den Saft ab

Drei Wochen lebten die Bilgics ohne Strom und Gas: Die Familie hat angeblich über Jahre zu wenig bezahlt. Anwalt und der Energie-Versorger swb streiten jetzt über gepfefferte Nachforderung

von GESA SCHÖLGENS

Kaum funktionieren Licht und Heizung wieder, droht den Bilgics schon die nächste Abstellung durch den Energieversorger swb. Bereits Ende September musste die 10-köpfige Familie drei Wochen lang ohne Strom und Gas leben. Angeblich hat sie über fünf Jahre zu wenig für ihren Verbrauch bezahlt. Im Mai stellte der Versorger, die Bremer swb, deswegen eine Nachforderung in Höhe von 6.400 Euro.

Die swb sehen sich im Recht: Fünf Jahre lang sei der Zähler der Familie nicht abgelesen worden, „trotz zahlreicher Aufforderungen unsererseits“, sagt die Sprecherin des Unternehmens, Marlene Odenbach. 19-mal habe man die Bilgics angeschrieben. Mehrfach hätten Mitarbeiter an der Tür geklingelt – ohne Erfolg. Das Problem: Der Zähler ist nicht öffentlich zugänglich: „Unsere Mitarbeiter konnten ihn nicht ohne Weiteres selbst ablesen.“ Deswegen hätten die swb den Verbrauch schätzen müssen. Allerdings waren die Schätzungen zu niedrig, so Odenbach. „Die Familie hat über Jahre hinweg zu wenig bezahlt für das, was sie verbraucht hat.“ Das hätten die swb festgestellt, als sie in diesem Jahr endlich an den Zähler herangekommen seien. Die Familie bekam daraufhin die saftige Nachforderung, Zinsen inklusive.

Völlig zu Unrecht, sagt dagegen der Anwalt der Familie, Sven Sommerfeldt. Im Erdgeschoss des Hauses, in dem die Familie wohne, befinde sich eine Gaststätte. Er vermutet, dass diese am selben Zähler mit dranhänge. Sommerfeldts Beweis: „Als der Strom abgestellt war, hat auch die Zapfanlage der Gaststätte nicht funktioniert.“

Sommerfeldt fordert nun von den swb eine lückenlose Abrechnung über den tatsächlichen Energieverbrauch der Bilgics. „Diese liegt uns bis heute nicht vor.“ Die letzte Abrechnung wurde vor zwei Jahren erstellt: Auf Basis von Schätzungen. Damals hätten die Bilgics sogar noch eine Rückzahlung erhalten. „Sie hätten nie gedacht, dass sie zu wenig bezahlt haben.“

Die Familie ist in Deutschland nur geduldet, darf deswegen nicht arbeiten und ist von den Zahlungen des Sozialamt abhängig – wo sie auf einmal 6.400 Euro hernehmen sollten, wussten die Bilgics nicht. Als die Familie die hohe Nachforderung nicht zahlen wollte, stellten die swb ihr nach 16 schriftlichen Mahnungen am 18. September das Gas und am 25. September den Strom ab.

Sommerfeldt zog daraufhin vors Amtsgericht. „Das Gericht hat verfügt, Strom und Gas wieder anzustellen“, so der Anwalt. Bis dahin vergingen allerdings gut drei Wochen. „Das scheint bei den Stadtwerken nicht selten zu sein. Sie üben massiv Druck aus, obwohl es sich bei der Familie um einen Härtefall mit vielen Kindern handelt.“ Während die swb auf eine Abzahlung in Raten hoffen, erwägen die Bilgics eine Klage. „Die Forderungen sind längst verjährt“, so Sommerfeldt.

Ein weiteres Problem: Der Gerichtsbeschluss, Strom und Gas wieder anzustellen, wurde den swb bis Ende der Woche nicht offiziell zugestellt. „Leider müssen wir erwägen, den Strom nächste Woche wieder abzustellen“, sagt swb-Sprecherin Odenbach.

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