: Bombentest in Rom
Regierungschef Prodi will Italiens TV-Markt umstrukturieren. Medienmogul Berlusconi schäumt schon, dabei wäre er nicht der einzige Betroffene
Aus Rom Michael Braun
Außer sich war Silvio Berlusconi am Donnerstag der Vorwoche, kaum hatte er von dem Regierungsentwurf für ein neues Mediengesetz Kenntnis genommen. Was Ministerpräsident Romano Prodi da vorhabe, sei „ein Akt des Banditentums“, schäumte der Oppositionsführer. Und wie immer wusste man nicht so genau, ob er nun als Chef der Partei Forza Italia sprach oder als größter TV-Unternehmer und reichster Mann des Landes. Berlusconi ist nun mal beides – und da wird jede gesetzliche Intervention in der TV-Landschaft Italiens natürlich zum politischen Angriff auf seine Person und gleichermaßen zum „Attentat gegen die Demokratie“.
Die nämlich sei in höchster Gefahr, so der wütende TV-Politiker, „wenn die Regierung den Oppositionsführer in seinem Eigentum und in seinen Firmen zu treffen sucht“. Sicher ist: Das von Prodi gewollte Mediengesetz würde Berlusconi beileibe nicht enteignen und ihm auch nicht die Spitzenstellung auf dem Fernsehmarkt streitig machen. Aber ein wenig einschränken müsste sich sein Unternehmen Mediaset schon. Denn wenn es nach der Regierung geht, ist es mit dem De-facto-Duopol zwischen der Staatsanstalt RAI und der Mediaset demnächst vorbei. Die beiden halten mit ihren je drei nationalen Programmen über 90 Prozent der Einschaltquoten ebenso wie der TV-Werbeeinnahmen.
In Zukunft dagegen soll jeder Anbieter maximal zwei Programme terrestrisch-analog ausstrahlen dürfen – ab 2009 könnten RAI und die Mediaset je ein Programm nur mehr digital-terrestrisch senden. So sollen die nötigen analogen Frequenzen für Konkurrenz auf dem Free-TV-Markt Italiens entstehen.
Das wäre eine echte Revolution – eine Revolution, an der seit über zehn Jahren das Parlament ebenso wie das Verfassungsgericht gescheitert sind. Schon 1994 hatte das Gericht verfügt, dass Berlusconi einen seiner Sender nur noch über Satellit ausstrahlen dürfe, das von den Mitte-links-Parteien daraufhin verabschiedete Mediengesetz hatte diese Weisung übernommen. Doch dieses Gesetz hatte Berlusconi eine lange Übergangsfrist gelassen, ein weiteres Urteil legte fest, dass spätestens Ende 2003 mit der terrestrisch-analogen Ausstrahlung eines der drei Berlusconi-Programme Schluss sein müsse.
Als es so weit war, war der TV-Privatmonopolist zugleich Regierungschef. Das von seiner Koalition Anfang 2004 gebilligte Gesetz warf alle bisherigen Entscheidungen über den Haufen und erlaubte ihm auf ewig seine drei Sender. Mehr noch: Die Grenzen bei den Werbeeinnahmen wurden weiter gelockert. Dafür erfand das Gesetz extra das „integretierte System der Kommunikation“. In diesem „System“ wurde einfach alle Ausgaben im Kommunikationsbereich addiert: Werbeeinnahmen in allen Medien, aber auch Verkauf von Konzert- und Kinokarten oder von CDs. Aus diesem Superkuchen durfte sich Berlusconi allein eine dicke Scheibe von 20 Prozent schneiden. Sein Konzern jubelte damals, das rechte Mediengesetz bringe neue Werbeerträge für Mediaset in Höhe von etwa einer Milliarde Euro.
Auch damit will der von der Mitte-links-Koalition vorgelegte Gesetzentwurf Schluss machen. In Zukunft werden bei den Konzentrationsgrenzen allein die TV-Werbeeinahmen kalkuliert; jeder Anbieter darf maximal 45 Prozent kassieren. Das klingt nicht besonders harsch, wäre aber für Berlusconi ein herber Verlust: Er streicht mit seiner Mediaset bisher 66 Prozent ein. Deshalb ist diese Norm für ihn unmittelbar viel brisanter als die mögliche Verbannung eines seiner Programme ins digital-terrestrische Fernsehen.
Aber noch ist das Gesetz nicht verabschiedet, und das Rechtsbündnis baut schon an den Barrikaden. Roberto Calderoli von der Lega Nord donnerte, in Rom herrschten Zustände wie im nordkoreanischen Pjöngjang und „eine Stimme der Opposition“ solle jetzt mundtot gemacht werden – dabei hatte Berlusconi doch immer behauptet, er nutze seine Sender nicht für politische Zwecke. Und der Forza-Italia-Koordinator Sandro Bondi kündigte heftigen, jedoch „gewaltfreien“ Widerstand an. Mehr als auf die Wirkung eigener Hungerstreiks hofft die Berlusconi-Truppe auf die Probleme der Regierung mit nur einer Stimme Mehrheit im Senat.