Kampfabstimmung in UN-Vollversammlung

Weder Venezuela noch Guatemala erhalten zunächst die Zweidrittelmehrheit für einen Platz im Sicherheitsrat

PORTO ALEGRE taz ■ Normalerweise ist die Wahl der nichtständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat eine Formsache. Nicht so in diesem Jahr: Seit Montag wird in New York darüber abgestimmt, wer Lateinamerika 2007 und 2008 im höchsten UN-Gremium vertreten wird – Venezuela oder Guatemala. Bei den ersten 10 Abstimmungen am Montag verfehlten beide Länder die erforderliche Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder von 125 Stimmen. Neunmal lag der zentralamerikanische Kleinstaat vorne, einmal mit 116 Stimmen. Zwischendurch konnte Venezuela auf 93:93 gleichziehen.

Venezuelas UN-Botschafter Francisco Arias Cárdenas sieht sein Land nicht im Duell mit dem „Bruderland Guatemala“, sondern mit den „Herren des Universums“: „Es ist eine Konfrontation mit den Falken der nordamerikanischen Politik“. Ein Sieg Venezuelas würde den Ländern des Südens „eine unabhängige Stimme“ geben, um im Sicherheitsrat gegen „die Macht des Geldes zu kämpfen“. Mit ähnlichen Tönen hatte in den letzten Monaten Venezuelas Präsident Hugo Chávez in China, Afrika, in der arabischen Welt und selbst in Weißrussland persönlich um Verbündete geworben. Natürlich werde sein Land seine Kandidatur aufrechterhalten, sagte Arias am Montagabend.

Auch US-Botschafter John Bolton, der sich den letzten Monaten eifrig für Guatemala stark gemacht hatte, stellt sich auf ein zähes Ringen ein. „Das war erst der Anfang“, sagte Bolton. Zuletzt 1979 gab es ein vergleichbares Duell um einen Platz im Sicherheitsrat. Damals dauerte es zweieinhalb Monate und 154 Abstimmungen, bis die Kontrahenten Kuba und Kolumbien zugunsten des Kompromisskandidaten Mexiko zurückzogen.

Auch diesmal geht der Riss nicht nur durch die Staatengemeinschaft, sondern mitten durch Lateinamerika und die Karibik. Dort hat sich Chávez als sichtbarster und lästigster Gegenspieler Washingtons profilieren können. Wirkungsvoller als seine unverblümte antiimperialistische Rhetorik sind dabei großzügige Finanzhilfen: Mit venezolanischen Erdöldollars werden auf Jamaika Straßen gebaut, auf den östlichen Antillen Antigua und Dominica Flughäfen modernisiert, in Uruguay ein Krankenhaus. Seit 2005 belaufen sich die Kredite und Schenkungen Venezuelas in der Region auf gut 1,1 Milliarden Dollar. Das ist immerhin ein Drittel der Summe, die das US-Außenministerium 2005 und 2006 als Entwicklungshilfe für Lateinamerika deklariert hat.

Während die meisten Länder Südamerikas und der Karibik in der UNO für Venezuela votieren, kann Guatemala auf die Stimmen Kolumbiens, Mexikos und seiner zentralamerikanischen Nachbarn zählen. Michelle Bachelet, seit März dieses Jahres erste Präsidentin Chiles, erklärte am Sonntag ihre Neutralität.

Unumstritten in den Sicherheitsrat gewählt wurden hingegen Südafrika, Indonesien, Italien und Belgien. Sie treten am 1. Januar 2007 die Nachfolge Tansanias, Japans, Dänemarks und Griechenlands an. Für Lateinamerika scheidet Argentinien aus, Peru gehört noch ein weiteres Jahr dem Gremium an.

GERHARD DILGER