PRESS-SCHLAG : Gyros am Spieß
WERTEWANDEL In verqueren Zeiten dient nicht mal mehr der FC Bayern München als sicherer Hafen. Oder gibt es noch Hoffnung?
Frankfurt und Nürnberg: Liebe Fußballfreundinnen und Freunde, das sind sie, die Mannschaften der bisherigen Saison. Teams, die einst niemanden interessierten, außer ihre Fans. Dazu passt ein Kunstschütze Pirmin Schwegler, dazu passt insbesondere ein Gekas, der sich so unauffällig wie ein Gyrosspieß durch den Strafraum dreht und dann plötzlich und einfach ein Tor macht. Grau wie der November waren diese Clubs in den vergangenen Jahren – und nun machen sie „Spaß“ (Hecking)! Ja, komisch ist sie, die Spielzeit, sie hat etwas kindliches, kindisches, mit dem jugendbewegt stürmenden Karnevalsclub Mainz vorne dran und dem lustigen Jürgen im fußballerisch bierernsten Dortmund.
Im Ganzen jedoch ist, wie der Bayer sagt, der Kaas hier noch lange nicht gebissen. Wer am Ende ganz oben stehen wird, interessiert nur die Provinz, „dann wird halt a mal a anderer Meister“, sagte Beckenbauer ganz richtig. Wichtig ist allein: Die Mannschaften liegen, was den dritten, zur Champions-League-Qualifikation berechtigenden Platz angeht, immer noch dicht beieinander. Bayerns B-Elf hält da mit ihrem auch sehr karnevalesken 3: 3 in Gladbach durchaus noch den Anschluss. Es fehlten Robben, Ribéry, van Bommel, Badstuber, Contento, Olić und der Bundes-Miro. Wenn bei den derzeitigen Spitzenmannschaften im Lauf der Ereignisse die zweite Reihe ranmuss, schaut alles ganz anders aus. Und dann hört es hoffentlich auch auf mit den Zaubertoren der Gegner und dem Alu-Abo der Bayern.
Wer allerdings wird bei den Münchnern dann auf der Bank sitzen – auf der Trainerbank? Hoeneß himself? Wer ist denn noch übrig von den alten Feuerwehrmännern? Holt er den Geist Lattek aus der Flasche? Oder gar den hl. Ottmar? Wir wollen über die Zerrüttung des Verhältnisses zum niederländischen Superman an dieser Stelle nicht weiter sprechen, stecken wir doch noch immer tief in der Lektüre des Doppelbänders „Louis van Gaal – Biographie & Vision“ – was soll man sonst schon machen bei diesem Sauwetter.
Wäre man jung, gar ein Kind, würde man trotz Dauerregen einfach draußen kicken gehen. Unsere heutigen Kinder machen das aber nicht mehr, Bronchitis und Lungenentzündungen grassieren trotzdem. Irgendwas läuft verquer, nicht nur in der Liga, nein, in der Welt. Klar sind nur die Karten von Match Attax, von denen der kleine Sohn nicht genug kriegt – obwohl er die Zahlen noch gar nicht kann. Aber die Werte sind von letzter Saison. Früher war halt alles, wenn schon nicht besser, dann wenigstens: klarer. Irgendwann wird man das auch von der Hinrunde 2010 sagen. Wir Bayernfans werden es dann wie immer schon vorher gewusst haben – und der Rest darf sagen, er sei dabei gewesen. AMBROS WAIBEL