Castorzug nimmt andere Route

Tausende Atomgegner blockierten auch im Süden der Republik erfolgreich

„Geradezu sanft“ sei sie von den Polizisten von den Gleisen getragen worden, sagt eine ältere Aktivistin

SÜDPFALZ taz | „Der Südwesten steht auf!“, jubelte der Landesvorstand der Grünen Rheinland-Pfalz am Tag nach der erfolgreichen Besetzung der Bahngleise in Berg in der Südpfalz, an der Grenze zu Frankreich, am Samstag. Mehr als 1.000 Aktivisten der Anti-Atomkraft-Bewegung hatten dort gegen Mittag an einem Bahnübergang die genehmigte Demoroute verlassen und sich auf den Schienen aufgemacht zu einem Marsch in Richtung Lauterbourg – dem Castorzug entgegen.

Weit kamen sie nicht. Schon nach wenigen hundert Metern stoppte die Polizei den bunten Menschenzug mit im böigen Wind knatternden gelben Anti-Atomkraft-Fahnen mit der roten Sonne darauf. Doch weil sie so viele Protestierende waren, die auch der x-ten Aufforderung der Polizei, die Bahngleise doch bitte umgehend zu räumen – bei Zusicherung von Straffreiheit –, nicht nachkamen, entschieden die Behörden, den Castorzug auf die Strecke Straßburg/Kehl umzuleiten. Denn der Abtransport aller Blockierenden in Berg durch die Polizei, mit dem dann gegen 13 Uhr begonnen wurde, hätte noch Stunden gedauert. Schlagstockeinsätze nämlich sollten nach dem Deeskalationskonzept der Polizei „auch im Interesse der Beamten möglichst vermieden“ werden. Schon während der auch friedlichen Demo zuvor, an der rund 2.000 Atomkraftgegner teilgenommen hatten, hatten viele Polizisten auf Nachfrage „viel Sympathie für das Anliegen der Protestierenden“ bekundet.

Als in Berg dann die Nachricht von der neuen Route des Castortransports auf der Schiene die Runde gemacht hatte, stellten beide Seiten ihre Aktivitäten langsam ein. Die Demonstranten machten sich zufrieden auf den Heimweg. Sie hatten schließlich ihre Ziele erreicht: Der Castorzug wurde aufgehalten und musste umgeleitet werden. Und alles war gewaltfrei abgelaufen. „Geradezu sanft“ sei sie von den Polizisten von den Gleisen getragen worden, sagte eine ältere Aktivistin später.

Aufregung dann am frühen Nachmittag. Aktivisten von Greenpeace hätten sich im französischen Lauterbourg an die Gleise gekettet, hieß es. Unaufgeregt reagierte die französische Polizei, die mit gerade mal zwei Mannschaftswagen am „Tatort“ vorfuhr. Bei Kehl probierte es Greenpeace dann noch einmal mit „Brückenhängern“. Der Castorzug musste eine Zwangspause einlegen. Am frühen Sonntagmorgen sorgten Demonstranten bei Darmstadt für den nächsten Zwangshalt des Castorzuges.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT