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Archiv-Artikel

In The Mood for Breaking the Waves

HIPPEN EMPFIEHLT Auf dem 23. Internationalen Filmfest Braunschweig werden der Filmkomponist Shigeru Umebayashi und der Schauspieler Stellan Skarsgârd geehrt

Nach John Hurt im letzten Jahr ist Skarsgârd wieder ein würdiger, vor allem aber interessanter Preisträger

VON WILFRIED HIPPEN

Zumindest in Europa kennen ihn nur die Eingeweihten, und dies liegt wohl auch daran, dass seine Musik eher unterschwellig wirkt. Shigeru Umebayashi ist einer von jenen Filmkomponisten, auf die der Satz zutrifft, dass die beste Filmmusik jene ist, die man bewusst gar nicht wahrnimmt. Auch wenn sein Vorbild der Meister des Leitmotivs Ennio Morricone ist, arbeitete der Japaner viel mehr mit Stimmungen als mit Melodien. So passt seine Musik ideal zu den ja auch eher atmosphärisch als prosaisch erzählten Filmen von Wong Kar Wai, in dessen Film „In The Mood of Love“ eine wunderbare Einheit von wehmütigen Bildern und elegischen Klängen gelingt. Aber Umebayashi, der seine Karriere als Leiter einer japanischen New Wave Rockband begann, ist auch ein wandlungsfähiger Komponist, der für die historischen Actionspektakel des chinesischen Regisseur Zhang Yimou die passend martialischen Töne fand und sogar für den deutschen Veit Helmer eine Art gefälschte euroasiatische Volksmusik lieferte, die dem märchenhaften Grundton von „Absurdistan“ entsprach. Neben einer Reihe von Filmen, für die Umebayashi die Musik schrieb, findet heute Abend in der Wichmannhalle ein Konzert mit Auszügen aus seinen Filmmusiken statt, die für ein Kammermusikensemble, einen Chor und Soloflöte arrangiert wurden.

Stellan Skarsgârd spielte in Lars von Triers „Breaking the Waves“ so überzeugend den querschnittgelähmten Arbeiter auf einer Ölbohrinsel, dass man sich in den nächsten Jahren unwillkürlich an das Wunder seiner Heilung erinnerte, wenn er in Filmen wie „Fluch der Karibik“ oder „Mama Mia“ über die Reling sprang und tanzte. Er ist einer der wenigen europäischen Schauspieler, die sowohl in Hollywood wie auch in der Heimat regelmäßig Filme machen, die sowohl künstlerisch wie auch kommerziell erfolgreich sind. So ist er nach John Hurt im letzten Jahr wieder ein würdiger, vor allem aber interessanter Preisträger für den Schauspielerpreis „Die Europa“.

Im Wettbewerb um den Publikumspreis „Der Heinrich“ stehen europäische Filme von jungen, noch unbekannten Filmemachern. 2006 gewann Chris Kraus mit „Vier Minuten“, der danach noch viele andere Preise abräumte und auch an den Kassen ein großer Erfolg war. Vier Jahre hat Kraus nun gebraucht, um seinen nächsten Film „Poll“ fertigzustellen, der nun in der Reihe „Neue Deutsche Filme“ gezeigt wird. Die in epischer Breite angelegte Großproduktion spielt in Estland kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs und hat mit der 14-jährigen Paula Beer wieder eine junge Hauptdarstellerin, die ähnlich wie Hannah Herzsprung in „Vier Minuten“ fast jede Einstellung des Films beherrscht. Neben den neuen Filmen von Mike Leigh und Stephen Frears läuft in der Reihe „Neues Internationales Kino“ auch der schwedische Film „Sound of Noise“, in dem eine Reihe von anarchistischen Perkussionisten eine ganze Stadt zu ihrem Instrument macht. Da wird dann die Musik selber zum Film.