Kunst soll Kirchenbau retten

St. Knud in Friedrichstadt könnte die erste Kunst-Kirche Deutschlands werden. Das denkmalgeschützte Gebäude würde erhalten und bescherte dem Holländer-Städtchen in Nordfriesland eine neue Sehenswürdigkeit. Die katholische Gemeinde ist trotzdem skeptisch

„Mickey-Mouse-Kubismus“ werfen die örtlichen Katholiken dem Künstler vor, und dass er erotische Werke gemalt hat

St. Knud könnte Deutschlands erste Kunstkirche werden. Otmar Alt, bekannt für farbenfrohe Bilder und Skulpturen, will das unscheinbare Kirchlein im nordfriesischen Friedrichstadt phantasievoll umgestalten. Das Kunstprojekt würde der Stadtverwaltung wie der Katholischen Kirche aus der Klemme helfen. Denn als normales Gotteshaus lässt sich St. Knud nicht mehr unterhalten.

Im Jahr 2003 wurde St. Knud entwidmet – zum Entsetzen der Gläubigen, die ihre Kirche gern behalten hätten. Das Erzbistum blieb hart und nannte die üblichen Gründe: Sparzwang, fehlendes Personal und eine Gemeinde, die das Gotteshaus nicht füllen kann. Doch das Gebäude mit seiner schlichten gelben Backsteinfassade steht unter Denkmalschutz und ist außerdem fester Bestandteil des historischen Stadtbildes. Eine neue Nutzung musste her.

Dr. Martin Lätzel vom Erzbistum Hamburg, der dem Kuratorium der Kirche vorsitzt, fiel als Erstes ein, ein Kulturzentrum für Ausstellungen, Lesungen und Konzerte einzurichten. Dumm nur, dass es in Friedrichstadt bereits ein derartiges Zentrum gibt. Es ist in der ehemaligen Synagoge untergebracht, die mit Spenden und öffentlichen Geldern wieder hergerichtet wurde. Ausgerechnet zwischen diesen Gebäuden eine Dauerkonkurrenz aufzubauen, erscheint vielen als wenig erquickliche Vorstellung: Oh Gott, oh Gott, stöhnten viele Friedrichstädter.

Entsprechend froh sind sie deshalb über die neuen Pläne: St. Knud könnte als Kunstkirche ebenso bekannt werden wie die „Hundertwasser-Kirche“ im österreichischen Bärnbach, hofft die Kirchenverwaltung. Und die Stadtverwaltung spekuliert darauf, den Touristen ein weiteres Highlight bieten zu können. Schon heute bietet das 2.500-Einwohner-Städtchen auf jedem Meter ein Dutzend Fotomotive. Friedrichstadt ist ein Holländerstädtchen mitten in Norddeutschland. Auf seinen Grachten kreuzen im Sommer Ausflugsschiffe im Minutentakt. Über die Brücken und den historischen Marktplatz schlendern im Sommer Tausende von Tagesgästen.

Der Künstler Otmar Alt hat sich bereits in Friedrichstadt umgesehen und ist begeistert von der Idee der Kirchenumgestaltung. Er stehe erst am Anfang seiner Überlegungen, wie die Kirche am Ende aussehen könne, sagte er in Interviews. Himmel und vermutlich das Meer werden als Motive auftauchen, möglicherweise entstehen Mosaike.

Allerdings ist die Finanzierung noch lange nicht gesichert. Über ein Gerücht, der Künstler habe selbst eine namhafte Spende getätigt, um sich in das Projekt einzukaufen, kann Lätzel nur lachen: „Schön wär’s.“ Ein sechsstelliger Betrag ist notwendig, um das Gebäude umzugestalten – ein Teil wird für eine Grundsanierung gebraucht, der Rest für die künstlerische Gestaltung und die Stiftung, die das Gebäude in Zukunft verwalten und erhalten soll. Denn die Kirche wird kein Museum werden, für das Eintritt bezahlt werden muss, sondern ein Andachtsraum bleiben. Lätzel hofft auf Spender und Mäzene, die sich von der Idee der Kunstkirche begeistern lassen.

Scheitert sie, ist unklar, was dann aus dem ehemaligen katholischen Gotteshaus wird: „Es gibt keinen Plan B“, sagt der Kirchenmann Lätzel. „Wenn das Geld nicht hereinkommt, haben wir ein echtes Problem.“

„Natürlich wäre es schöner für die Gemeinde und für die Stadt, wenn St. Knud als Kirche erhalten geblieben wäre, das würde am besten zur Tradition der Stadt passen“, sagt Christiane Thomsen, Museumsleiterin und Vorsitzende des Kuratoriums, das die Aktivitäten in der ehemaligen Synagoge plant. „Aber eine Kunstkirche ist viel besser als vieles andere, und für Friedrichstadt kann es nur gut sein.“

Ähnlich sieht es Bürgermeister Peter Hofmann: „Das jetzige Konzept wird die katholische Kirche zu einem Aushängeschild für die Stadt machen“, sagte er der Lokalzeitung – wenn denn das Geld zusammenkommt.

Friedrichstadts Katholiken sind ohnehin skeptisch: Ein Teil der Gläubigen hofft weiterhin, die Kirche könne eines Tages wieder geweiht werden. Je mehr Veränderungen es gibt, desto unwahrscheinlicher wird das. So beschweren sich einige über den Künstler: Er betreibe „Mickey-Mouse-Kubismus“, spottet ein Gemeindemitglied, ein anderes bemängelt, dass Otmar Alt eine Reihe von erotischen Werken gemalt hat. Mitte Juli hatten die Kritiker Gelegenheit, ihm das direkt zu sagen: Alt kam zum Kaffeeklatsch der Katholiken, um für seine Pläne zu werben. ESTHER GEIßLINGER