Inderinnen dürfen brutale Gatten verklagen

Neues Gesetz sieht Gefängnisstrafe für Ehemänner vor, die ihre Frauen schlagen, verbal erniedrigen oder gar wegen Mitgiftforderungen anzünden. Doch der größte Feind der neuen Paragrafen sind jahrhundertealte Gewohnheiten

DELHI taz ■ Siebzig Prozent der indischen Ehefrauen werden Opfer männlicher Gewalt in den eigenen vier Wänden. Ihre Rechte werden seit gestern mit einem Gesetz gegen häusliche Gewalt gestärkt. Wer seine Partnerin verbal, körperlich, sexuell, seelisch oder wirtschaftlich missbraucht, muss mit bis zu einem Jahr Haft und Geldbußen bis zu 20.000 Rupien (360 Euro) rechnen. Das Gesetz beschränkt sich nicht nur auf das Klagerecht verheirateter Frauen. Klagen dürfen auch Unverheiratete, die in einer festen Beziehung leben, sowie Angehörige von Großfamilien.

Die Bestimmungen des Gesetzes zeigen, was in indischen Haushalten besonders häufig Anlass zu Gewalt ist. Vor allem geht es um Verbrechen im Zusammenhang mit Mitgiftforderungen (Dowry). Die sind zwar verboten, aber nach wie vor gängige Praxis in allen Schichten und Regionen des Landes. Oft treten sie noch Jahre nach der Eheschließung auf. Die gewalttätige Reaktion auf ihre Nichterfüllung ist eine der häufigsten Todesursachen von Frauen im eigenen Haus. Allein die Forderung nach mehr Geld oder Gütern hat oft zur Folge, dass Frauen das Haus des Ehemannes verlassen und zu ihren Eltern zurückkehren. Bisher gaben sie damit ihr Wohnrecht und das Recht auf den gemeinsamen Besitz auf. Das soll mit dem neuen Gesetz anders werden.

Gesetze allein können eine jahrhundertealte Praxis jedoch nicht zum Verschwinden bringen. Studien zufolge glauben über die Hälfte der Inderinnen selbst daran, dass sie unter bestimmten Umständen Schläge verdient hätten. Auch einen „Anti-Dowry-Act“ gibt es schon lange. Das neue Gesetz soll dessen Schwächen beheben, was vor allem mit der Schaffung spezieller Schutzbeamter geschehen soll.

Bislang war die Gemeindeverwaltung mit der Aufgabe betraut, Verstöße zu registrieren. Nun können auch Verwandte, Freunde oder Sozialorganisationen Klage erheben, was gerade für Frauen auf dem Land von großer Bedeutung ist. Diese sind häufig nicht nur des Schreibens und Lesens unkundig, ihnen droht auch die Sanktionsgewalt und Stigmatisierung durch den Clan oder die dörfliche Gemeinschaft als Ganzes. Der Schutz durch eine Organisation oder staatliche Stellen könnte diese Frauen ermutigen, mit ihren Klagen an die Öffentlichkeit zu treten.

Auch Beschimpfung oder Androhung von Gewalt ist fortan strafbar. Hier richtet sich das Gesetz namentlich gegen die Beschimpfungen, die viele Frauen erdulden müssen, wenn sie statt einem Jungen ein Mädchen gebären. Auch diese Frauen werden oft aus dem Haushalt vertrieben, ohne dass sie ein Recht auf den geteilten Haushaltsbesitz haben.

Das Recht einer Frau auf eine bezahlte Beschäftigung wird in einer Ehe ebenfalls oft durch den Mann verneint – auch hier will das Gesetz Abhilfe schaffen, indem es ein solches Verbot als „Gewalt“ einstuft. Dasselbe gilt bei sexueller Gewalt gegen Kinder sowie bei der Verheiratung minderjähriger Mädchen.

Die letztgenannte Verfügung zeigt aber auch die Nachteile einer „sexistischen“ Optik, die Gewalttäter und -opfer rigide entlang den Geschlechtergrenzen trennt. Bei der Verheiratung minderjähriger Jungen und Mädchen auf dem Land spielen Frauen des Haushalts oft eine aktive Rolle. Es ist zudem bekannt, dass Frauen in einem gemeinsamen Haushalt die „Schwiegertochter“ oft noch unmittelbarer psychisch unter Druck setzen, wenn sie nicht einen Stammhalter produziert.

Auch die zahlreichen Fälle von Dowry-Verbrechen zeigen oft eine Kollusion zwischen dem verheirateten Sohn und seiner Mutter. Beide verschaffen ihren Geldforderungen Nachdruck, indem sie die Gewalt gegen die eingeheiratete junge Frau – oft wird sie in der Küche mit Öl übergossen und angezündet – gemeinsam planen und ausführen.

BERNARD IMHASLY