: Drohungen interessieren wenig
Berliner Migrantenvertreter äußern sich verhalten zu Drohungen gegen die Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz. Deutliche Kritik kommt nur von dem kurdischstämmigen Grünenpolitiker Riza Baran
von WALTRAUD SCHWAB
Die türkischstämmige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Ekin Deligöz, bekommt Morddrohungen. Die Polizei nimmt diese so ernst, dass sie Personenschutz gewährt. Vor zwei Wochen hatte sich Deligöz mit dem FDP-Politiker Mehmet Daimagüler, der SPD-Bundestagsabgeordneten Lale Akgün und der Frauenrechtlerin Seyran Ates in Bild am Sonntag zum Kopftuch geäußert.
Alle vier appellierten an die muslimische Bevölkerung in Deutschland, sich klarzumachen, dass durch das Kopftuch eine Abgrenzung von der deutschen Kultur und dem gesellschaftlichen Verständnis demonstriert werde, da es als Symbol der Frauenunterdrückung verstanden werde. Deligöz fordert die muslimischen Frauen auf: „Kommt im Heute an, kommt in Deutschland an. Ihr lebt hier, also legt das Kopftuch ab! Zeigt, dass ihr die gleichen Bürger- und Menschenrechte habt wie die Männer.“
Dieser Satz, aus dem Gesamtkontext gerissen, reicht offenbar aus, um Deligöz nun umbringen zu wollen. Die Frauenrechtlerin Seyran Ates kämpft bereits seit Jahren damit, dass ihr Leben bedroht ist. Die anderen beiden Politiker, die in dem Artikel von Bild am Sonntag zitiert werden, haben nach Informationen der taz keine Drohungen erhalten.
Die Drohungen gegen Deligöz sind ein erneuter Beweis dafür, dass Frauen, die das Kopftuchtragen öffentlich anprangern, gefährdet sind. Dies veranlasst, zumindest in Berlin, vereinzelt Vertreter türkeibezogener Institutionen, sich nicht länger nach allen Seiten abwägend zu äußern.
Laut Riza Baran, Vorstand der Kurdischen Gemeinde, stellt sich jeder, der jemand wegen dessen Meinungsäußerung umbringen will, außerhalb der Gesellschaft. „Das Verhalten ist weder mit demokratischen Ideen noch mit dem Koran vereinbar.“ Im Islam stehe niemand zwischen Gott und dem Einzelnen. Männer, die sich zwischen Frauen und Gott drängen zu können meinen, handelten ketzerisch. Wer Machtansprüche gegenüber Frauen durchsetzen wolle, wolle seine eigene Schwäche vertuschen. „Viel mehr muslimische und türkischstämmige Respektspersonen müssten sich für die Freiheit der Frau in der Religion, aber auch sonst einsetzen.“
So weit ist es aber wohl noch nicht. Yilmi Kaya Turan vom Türkischen Bund betont zwar, dass es in keinster Weise opportun ist, jemandem wegen einer Meinungsäußerung mit Mord zu drohen. „Frau Deligöz kann etwas sagen, was anderen nicht passt. Dann müssen diese sich mit ihr auseinandersetzen“, sagt er. Wenn Deligöz meine, das Kopftuch verhindere Integration, sollten die Empörten die eigene Position darlegen. Einverstanden ist er mit Deligöz’ Position selbst nicht. Der Unterschied: Er kritisiert sie, aber er verurteilt die, die mit Mord drohen. „Gegen diese muss strafrechtlich vorgegangen werden.“
Noch verhaltener äußert sich Celal Altun von der Türkischen Gemeinde zu Berlin: „Jede Morddrohung ist inakzeptabel – darüber brauchen wir uns gar nicht zu unterhalten.“ Die Notwendigkeit, diese Meinung als Vertreter einer der wichtigsten türkischen Organisationen der Stadt öffentlich zu machen, sieht er nicht. „Wenn man uns anspricht, sagen wir klar, dass wir Morddrohungen verabscheuen.“ Die Kopftuchdebatte müsse geführt werden, es frage sich nur, von wem. Deligöz sei die Falsche. Sie sei eine Grüne. Niemand wisse, welche politischen oder propagandistischen Absichten sie hege.