„Bei Moral und Ethik nachsteuern“

Der Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Reinhold Robbe (SPD), fordert, Soldaten vor Auslandseinsätzen stärker in Landeskunde und Ethik zu schulen. Ein eigenes Institut sollte posttraumatische Störungen bei Rückkehrern erforschen

INTERVIEW KATHARINA KOUFEN

taz: Herr Robbe, wie werden die Soldaten auf den Auslandseinsatz vorbereitet?

Reinhold Robbe: Zunächst sehr umfänglich an den Ausbildungsstätten der Bundeswehr. Bei denen, die ins Ausland verlegt werden, erfolgt darüber hinaus eine spezielle Einweisung in die kulturellen und politischen Besonderheiten des Einsatzlandes.

Worum ging es beim Afghanistaneinsatz?

Da wird mit den Soldaten zum Beispiel besprochen, wie sie eine Frau in Burka auf der Straße ansprechen können.

Wurden auch Themen wie „Respekt vor der Totenruhe“, speziell im Islam, besprochen?

Auch solche Fragen spielen eine Rolle. Im Übrigen ist es doch eine Selbstverständlichkeit – die Störung der Totenruhe ist in allen Kulturen und Religionen eine schlimme Sache, im Christentum genauso wie im Islam.

Offenbar war das den Soldaten auf den Fotos nicht ausreichend bewusst. Soll die Bundeswehr dort nachbessern?

Da gibt Nachsteuerungsbedarf. Interkulturelle Kompetenz, moralische und ethische Werte müssen einen hohen Stellenwert in der Ausbildung haben.

Werden die Soldaten ausreichend darauf vorbereitet, dass sie im Krieg eingesetzt werden?

Das ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt. Es beginnt schon damit, dass die jungen Frauen und Männer aus unserem wohlhabenden Mitteleuropa in ein Land kommen, das den Eindruck eines Zeitsprunges zurück in die Steinzeit erweckt. Hinzu kommen solche Dinge wie, dass vor dem Camp manchmal Babys abgelegt werden, die krank sind und wo die Eltern nicht mehr weiterwissen. Dann sollen sich die Soldaten plötzlich um einen todkranken Säugling kümmern. Das stecken sie natürlich nicht so einfach weg. Das kann dann letztlich auch zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen, die inzwischen ein großes Thema in der Bundeswehr sind.

Was passiert mit den Leuten, die ein solches Trauma haben?

Wichtig ist vor allem die Nachbereitung mit den Soldaten, wenn sie aus den Einsatzgebieten zurückkommen. Dann sind sie einige Tage zusammen, werden von Fachleuten betreut – immer mit Blick auf die Notwendigkeit, Verhaltensauffälligkeiten bei sich selbst sofort zu identifizieren und sich dann in professionelle ärztliche Behandlung zu begeben. Das ist unglaublich wichtig, um diese Störung sofort behandeln zu können. Wenn so etwas nicht erkannt wird, können daraus seelische Krankheitsbilder entstehen mit Folgen, die gar nicht absehbar sind.

Wie reagiert die Bundeswehr auf die steigende Zahl an Traumatisierten?

Das Thema wird in der Bundeswehr sehr ernst genommen. Aus meiner Sicht brauchen wir auf diesem Feld eine systematische Forschung. Ich persönlich plädiere auch dafür, dass man ein Institut schafft, das sich mit diesem Krankheitsbild beschäftigt.

Haben die Fotos auch mit solchen traumatischen Erlebnissen zu tun?

Es gibt natürlich „Ventile“, an denen sich Ängste und Dinge, die im Unterbewussten verarbeitet werden, entladen. Dazu kommt in manchen Fällen die Unreife von Menschen. Dass man nicht als „Weichei“ gelten will, wenn man sich an bestimmten Sachen nicht beteiligt.

Hat die Bundeswehr ein Rekrutierungsproblem? Vor allem in Ostdeutschland gehen Jugendliche vor allem deshalb zur Armee, um der Arbeitslosigkeit zu entkommen.

Es ist ein allgemein bekanntes Problem in der Gesellschaft, dass das Bildungsniveau sinkt, so auch derer, die neu in die Bundeswehr eintreten. Das betrifft die Allgemeinbildung ebenso wie spezielle Fähigkeiten, mit bestimmten Themen umzugehen.